Ägyptens Präsident Mursi reist zum Staatsbesuch nach Berlin, Proteste vor dem Bundestag. Trotz der anhaltenden Ausschreitungen in Ägypten, reiste der ägyptische Staatspräsident Mohamed Mursi am Mittwoch nach Deutschland und ließ sich von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit militärischen Ehren empfangen. Begleitet wurde Mursi von Vertretern der ägyptischen Wirtschaft und mehreren Ministern. Der wirtschaftspolitisch motivierte Besuch gebe der wirtschaftlichen Kooperation beider Länder neue Impulse, hieß es in Berlin. Merkel betonte: „Deutschland möchte ein wichtiger Partner Ägyptens werden.“ Deutschland ist bereits der drittgrößte Handelspartner Ägyptens und will seinen Einfluss am Nil ausbauen. Ägyptens Wirtschaft liegt am Boden und Kairo sucht händeringend nach Investoren. Der Tourismussektor ist eingebrochen, die Arbeitslosigkeit steigt und die Talfahrt der ägyptischen Währung geht unvermindert weiter. Die im Dezember ausgesetzten Gespräche über einen Schuldenerlass waren in Berlin offiziell kein Thema. Merkel sagte lediglich, sie hoffe, der Internationale Währungsfond nehme die Verhandlungen über einen Kredit für Ägypten bald wieder auf und helfe damit die ägyptische Wirtschaft zu stabilisieren.
Seit November ist Ägypten nicht zur Ruhe gekommen. Über 60 Menschen starben seit Beginn der heftigen Protestwelle, die das Land seit einer Woche erschüttert. Noch am Sonntag rief Mursi den Notstand über Port Said, Ismailija und Suez aus, verhängte eine nächtliche Ausgangssperre und schickte die Armee in die Kanal-Zone. Ägypten werde ein ziviler Rechtsstaat werden, das Notstandsgesetz sei nur eine temporäre Maßnahme, betonte Mursi in Berlin. Doch auch das neue Regime setzt bei Protesten auf Repression. Die Armee wurde mit Sondervollmachten ausgestattet und verurteilt weiterhin Zivilisten vor Militärtribunalen.
Ob der anhaltenden Gewalt in Ägypten verkürzt Mursi seinen Aufenthalt in Deutschland. Daß er dennoch nach Berlin gereist ist, zeigt, wie viel Gewicht das Regime den Beziehungen zur Bundesrepublik mittlerweile einräumt. Außenminister Guido Westerwelle war der erste westliche Spitzenpolitiker, der nach Mursis Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Juni 2012 nach Kairo reiste und Mursi politische Unterstützung zusagte. Berlin baute seine bilateralen Beziehungen zu Ägypten seither kontinuierlich aus und intensiviert die rüstungspolitische Kooperation. Ägypten will unter anderem U-Boote aus deutscher Produktion kaufen.
Mursi betonte in Berlin, es sei im Interesse seines Landes das freundschaftliche Verhältnis zu Deutschland auszubauen, jedoch „ohne Einmischung in interne Angelegenheiten.“ Merkel hob zuvor die Einhaltung der Menschenrechte in Ägypten als Grundlage der Partnerschaft hervor. Die autokratischen Züge des Regimes scheinen angesichts der Rüstungskooperation für die Bundesregierung eher zweitrangig zu sein. Berlin verfolgt am Nil handfeste wirtschaftliche Interessen, ist um jeden Preis an einer Stabilisierung des Landes interessiert und fordert von Kairo ein sicheres Umfeld für deutsche Investitionen. Mursi und die regierenden Muslimbrüder gelten trotz ihrer gesellschaftlichen Vorstellungen als verlässlicher wirtschaftspolitischer Partner mit neoliberalem Anstrich und werden von Berlin entsprechend hofiert.
Anlässlich des Staatsbesuchs von Mursi protestierten am Dienstag rund 300 Demonstranten in Berlin gegen Menschen- und Organhandel auf der Sinai-Halbinsel und zogen vor den Bundestag. Sie forderten Kairo auf, endlich gegen den Menschenhandel vorzugehen und das Flüchtlingsdrama auf dem Sinai nicht weiter zu ignorieren. Die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin und Außenminister Westerwelle wurden aufgefordert, Druck auf Mursi auszuüben. Aufgerufen zu dem Protest hatten die „Eritreische Community in Deutschland“ und Annette Groth, Bundestagsabgeordnete und menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. Groth sagte, sie hoffe, dass Angela Merkel die Lage auf dem Sinai im Gespräch mit Mursi auf den Tisch bringen werde und betonte, die Nachbarschaftsabkommen mit Ägypten böten Möglichkeiten, Kairo unter Druck zu setzen und ein konsequentes Vorgehen gegen den Menschenhandel im Sinai einzufordern.
© Sofian Philip Naceur 2013
Anonymous
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beste Grüße aus Kassel
Richard