Ahly-Fans im Stadion in El Gouna |
Das Ferienparadies El Gouna, eine Kleinstadt nördlich von Ägyptens Touristenhochburg Hurghada, ist kein typtischer Austragungsort für das Derby zwischen den beiden Kairoer Fußballclubs und Erzrivalen Al-Ahly und Zamalek SC. Der Spielbetrieb von Ägyptens Premier League ist ob der politischen Tumulte um die Absetzung des Staatspräsidenten im Juli offiziell ausgesetzt. Faktisch ist die Saison beendet. Weiter gespielt wird in der vom Afrikanischen Fußballverband CAF ausgerichtete Champions League. Al-Ahly und Zamalek sind im Viertelfinale, das im Gruppenmodus ausgetragen wird, in dieselbe Gruppe gelost worden und trafen schon am ersten Spieltag aufeinander (erschienen in Junge Welt vom 1.8.2013).
Angesichts anhaltender Massenproteste in Ägypten weigerte sich das Innenministerium ob eines „nicht kalkulierbaren Sicherheitsrisikos“ das Spiel in Kairo austragen zu lassen. Ägyptens Fußballverband EFA verschob das Spiel zweimal und erwog eine Austragung im Ausland. Die Ultras Ahlawy (UA07) protestierten vehement und appellierten an die EFA das Spiel in Ägypten austragen zu lassen. Trotz des Zuschauerbanns reisten schließlich Tausende Fans beider Teams mit einem Großaufgebot der Polizei die 430 Kilometer aus Kairo an. Das Manöver der EFA, das Spiel nach Gouna verlegt und das Zuschauerverbot inoffiziell gelockert zu haben, ist aufgegangen. Selten hat man die UA07, die Weißen Ritter – die Zamalek-Ultras – und die Polizei in solcher Eintracht erlebt. Polizisten verteilten Wasserflaschen an die Fans und saßen seelenruhig in den Fanblöcken. Die Stimmung war ausgelassen und die Ahlawys feierten was das Zeug hält.
Fanblock von Zamalek SC |
Beim Einlauf der Mannschaften drehen sie auf. Banner wurden hochgezogen, rote bengalische Feuer gezündet und Toilettenpapierrollen flogen aufs Spielfeld. Nicht einmal das frühe Gegentor ließ die UA07 von ihren Freudentänzen abbringen. In der achten Minute stocherte Ahmed Gaafar den Ball zur Führung für Zamalek ins rechte Eck und nährte die Hoffnung die Negativserie gegen den Erzrivalen endlich beenden zu können. Seit 15 Spielen wartet Zamalek auf einen Sieg gegen Ägyptens Rekordmeister Ahly, der 36 Meisterschaften eingefahren hat und seit 2005 sieben Titel in Folge holte. Die Champions League gewannen die Roten Teufel sieben Mal, das letzte Mal 2012 nach knappem Sieg im Finale gegen Espérance Sportif de Tunis. Zamalek wartet seit 2004 auf einen Titel. Auch dieses Mal wurde es nichts mit drei Punkten. Ahlys Spielmacher Mohamed Abu Treika verwandelte in der 53. Minute einen Elfmeter zum 1-1 Endstand.
Ahlawys nach dem 1-1 Ausgleich |
Der algerische Schiedsrichter scheint an den Umgang mit Feuerwerk gewöhnt und pfeift das Spiel auch dann nicht ab, als Böller aufs Spielfeld fliegen. Ahlys Torhüter Hossam Ghaly ist unbeeindruckt, als nach dem Seitenwechsel mehrfach Böller knapp an seinem Kopf vorbeifliegen. Die Fans feiern ihre Mannschaften als ob sie gewonnen hätten. Das Ergebnis war heute zweitrangig, schließlich freuten sich die Ultras endlich wieder ein Spiel besuchen zu können. Erst im Februar hatte die EFA nach einjährigem Spielstopp grünes Licht für die Wideraufnahme des Ligabetriebs gegeben. Grund für die Aussetzung war das Massaker von Port Said 2012, bei dem 72 Ahly-Fans getötet wurden. Das Massaker ist ein bis heute nicht konsequent aufgearbeitetes Politikum. Bedingung der Behörden für die Wideraufnahme des Spielbetriebs war ein Zuschauerverbot. Im Juni stürmten die UA07 ein Ligaspiel, verweilten einige Minuten auf den Rängen und zogen wieder ab. „Wir wollten ein Zeichen setzen“ heißt es aus den Reihen der Ahlawys. Spiele vor leeren Rängen dienen nicht dem Sport oder den Fans, sondern lediglich der Erfüllung von Werbeverträgen und Übertragungsrechten.
Die 2007 gegründeten UA07 sind leidenschaftliche Fußballfans, aber auch politisch aktiv. Polizeigewalt gegen die Ultras, die sich nach Spielen regelmäßig gegen das Versammlungsverbot hinwegsetzten und mit Sicherheitskräften aneinander gerieten, hatte sie politisiert. Der Kampf gegen Polizeiwillkür ergänzt heute ihren Einsatz für Ahly. Auch wenn die UA07 selten zur Teilnahme an Protesten aufrufen, waren sie bei der Revolution unverzichtbar. Ihre Übung im Kampf gegen Sicherheitskräfte half den Revolutionären 2011 den Tahrir-Platz gegen die gewaltsamen Räumungsversuche der Polizei zu verteidigen. An den derzeitigen Protesten in Ägypten beteiligen sie sich nicht, sie halten sich aus dem Machtkampf zwischen Militär und Muslimbrüdern heraus und warten ab. Sie wissen, dass sie Menschen mobilisieren können wenn es drauf ankommt. „Wir haben Hosni Mubarak gestürzt, Übergangspräsident Hussein Tantawi und Mohamed Mursi zu Fall gebracht, den nächsten schaffen wir auch noch“ sagt Ahly-Fan Emad nach dem Spiel in Gouna und steigt in den Bus.
© Sofian Philip Naceur 2013