Präsidentschaftswahlen in Algerien sind fade und vorhersehbar. Seit Amtsantritt von Algeriens amtierendem Staatspräsidenten und Vorsitzenden der regierenden Nationalen Befreiungsfront (FLN) Abdelaziz Bouteflika 1999 sind Präsidentschaftswahlen zur innenpolitischen Nebensache verkommen. Spannung im Wahlkampf oder gar Überraschungen bei der Verkündung der Ergebnisse? Fehlanzeige. Vielmehr war bereits im Vorfeld der Urnengänge klar wer das Rennen machen würde. Auch bei der morgigen Präsidentschaftswahl wird mit keiner Überraschungen gerechnet, Bouteflikas Sieg ist abgemachte Sache. Der Urnengang wird dennoch mit Spannung erwartet, schließlich reist die massive Kritik an Bouteflikas umstrittener Kandidatur nicht ab. Der angestaute Frust der perspektivlosen Jugend beschert dem Land die heftigste Protestwelle seit Jahrzehnten (erschienen in Junge Welt vom 16.4.2014).
Neben dem Amtsinhaber treten weitere fünf Kandidaten an. Ali Fawzi Rebaine, Moussa Touati und Louisa Hanoune von der trotzkistischen Arbeiterpartei Algeriens treten alle zum dritten Mal gegen den haushohen Favoriten Bouteflika an. Einziger Neuling im Rennen ist El Moustakbel-Chef Abdelaziz Belaid, ein abtrünniger FLN-Funktionär. Alle vier sind praktisch chancenlos. Einziger ernstzunehmender Widersacher Bouteflikas ist der Ex-FLN-Generalsekretär und ehemalige Premierminister Ali Benflis. Das letzte direkte Kräftemessen der beiden bei der Präsidentschaftswahl 2004 entschied der Amtsinhaber deutlich für sich. Bouteflikas gewann mit rund 85 Prozent der Stimmen vor Benflis, der als Zweitplatzierter nur sechs Prozent erreichte. Nach der herben Niederlage tauchte Benflis in der Versenkung ab und trat erstmals im September wieder öffentlich in Erscheinung. Seit seiner offiziellen Kandidatur wirbt Benflis für einen demokratischen Wechsel an der Spitze des Landes, doch hat sein Wahlkampf den bitteren Nachgeschmack einer hoffnungslosen Scheinkandidatur.
Der gesundheitlich schwer angeschlagene Staatschef galt nach einem Schlaganfall im April 2013 als faktisch abgetreten, doch nach seiner Rückkehr auf die politische Bühne installierte er mit Amar Saidani einen engen Vertrauten im Amt des FLN-Generalsekretärs und brachte im Zuge einer Kabinettsumbildung das Innen- und Justizministerium unter seine Kontrolle. Seine parteiinternen Gegner in der FLN und im Sicherheitsapparat waren damit vorerst kaltgestellt. Benflis tritt dennoch gegen einen Kandidaten an, der aus gesundheitlichen Gründen seinen Wahlkampf nicht selbstständig bestreiten kann, sondern ein sechsköpfiges Wahlkampfteam berufen hat für ihn im Land auf Stimmenfang zu gehen. Die Wahlfarce in Algerien brachte die oppositionelle Zeitung Le Matin bereits im März auf den Punkt als sie schrieb: „Benflis, der einzige Kandidat, der an seine Chance glaubt, bei einer Wahl, vorbereitet von Ex-Regierungschef Abdelmalek Sellal, organisiert von Tayeb Belaiz (Innenminister), kontrolliert von Tayeb Louh (Justizminister) und bestätigt von Mourad Medelci,“ Chef des Verfassungsrates und Bouteflikas langjähriger Außenminister. Medelci war auf dem Posten auch für die Annahme der Kandidaturen zuständig. Bouteflika Zulassung als Kandidat ist an sich schon ein Skandal, muss der Staatspräsident doch nach Artikel 88 der algerischen Verfassung gesundheitlich fit genug sein sein Amt tatsächlich ausüben zu können. Bouteflika ist jedoch seit zwei Jahren nicht mehr öffentlich aufgetreten und seine Fernsehauftritte der letzten Wochen waren bizarr. Algeriens Staats-TV zeigte ihn bei seinen Treffen mit dem Emir von Katar, dem UN-Sondergesandten für Syrien Lakdar Brahimi und US-Außenminister John Kerry. Bouteflikas schwache unverständliche Stimme und der wackelige Auftritt beim Kerry-Besuch nährten weiter Zweifel an seinem Gesundheitszustand und animierte Blogger seine Kandidatur als „Satire“ zu bezeichnen.
Dennoch ist Bouteflikas Clan und der mit ihm verbündete Militärapparat offenbar fest entschlossen ihn ein weiteren Mal ins höchste Staatsamt zu hieven. Die komplizierten und nebulösen Machtstrukturen in Algier machen es schwierig bis unmöglich diese riskante Entscheidung nachzuvollziehen. Das Regime scheint aber darauf zu setzen die Nachfolgeentscheidung und damit einen offenen Machtkampf innerhalb des Regimes vorerst zu verschieben. Auf der Nachrichtenwebsite Jadaliyya beschreibt Thomas Serres Algeriens Regime als ein Kartell, dessen primäres Ziel die Wahrung des Status Quo sei. Bouteflikas Clan innerhalb des Regimes ist lediglich eine von mehreren an der Macht beteiligten informellen Fraktionen. Selbst innerhalb der FLN ist Bouteflikas Clan nur einer von zahlreichen konkurrierenden Flügeln, jedoch der mit Abstand mächtigste. Algeriens Stabilität hat derzeit auch für seine internationalen Partner oberste Priorität, daher ist selbst bei heftigeren Protesten gegen Bouteflika derzeit nicht mit einer Wachablösung an der Staatsspitze zu rechnen.
© Sofian Philip Naceur 2014