Photo: Ain El Hayat Zaher |
Von Ain El Hayat Zaher und Sofian Philip Naceur
Ägyptens Nachwuchsjournalisten proben den Aufstand. Am vergangenen Wochenende versammelten sich rund 100 Reporter und Fotografen vor dem Journalistensyndikat, der ägyptischen Berufsstandorganisation für Journalisten mit Sitz im Stadtzentrum Kairos, und protestierten gegen anhaltende Gewalt und staatliche Repression gegen Journalisten am Nil. Auslöser der erneuten Proteste ägyptischer Journalisten war der Tod der 23jährigen Reporterin Mayada Ashraf Ende März. Ashraf hatte über die Ausschreitungen zwischen mit der Muslimbruderschaft sympathisierenden Studenten und Sicherheitskräften an der Ain Shams Universität im Nordosten Kairos berichtet und wurde durch einen Kopfschuss getötet. Seit dem Sturz des islamistischen Staatspräsidenten Mohamed Mursi im Juli 2013 wurden in Ägypten damit ganze zwölf Reporter getötet (erschinen in Junge Welt am 9.4.2014).
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Nach der Kundgebung vor dem Haupteingang des Journalistensyndikats besetzten dutzende überwiegend freie Journalisten das Foyer der staatlich kontrollierten Organisation und kündigten einen Warnstreik an. Sie forderten die Syndikatsleitung auf Schritte zum Schutz von Reportern einzuleiten. „Freie Reporter haben in der Regel keine festen Verträge, wir bekommen weder Kameras noch kugelsichere Westen gestellt und die Zeitungen schicken meist die jüngsten und unerfahrensten Reporter zu Protesten“, sagt Hamada El Rasam, der als freier Journalist unter anderem für die Tageszeitung Al Masry Al Youm berichtet. „Die Polizei erlaubt uns zudem nicht Gasmasken zu tragen als Schutz gegen das Tränengas. Sie konfiszieren unsere Ausrüstung, die wir von unseren Auftraggebern nicht ersetzt bekommen, und verhaften uns.“ Wenn Zeitungen keine adäquate Ausrüstung und Ausbildung bereitstellen können oder wollen, dann sollen sie auch keine Reporter zu den Protesten schicken, sondern schlicht auf die Berichterstattung vor Ort verzichten, so El Rasam weiter.
Das größte Problem sei jedoch, dass freien Journalisten der Zugang zum Syndikat verwehrt wird, sagt Abeer Saady. Die ehemalige Vizepräsidentin des Syndikats, die erst im Februar 2014 ihre Mitgliedschaft aus Protest gegen die zahnlose Reaktion des Syndikats auf die anhaltenden Übergriffe gegen Journalisten auf Eis gelegt hat, betont, für die Mitgliedschaft in der Organisation und für eine offizielle Akkreditierung bei ägyptischen Behörden müssen Reporter Arbeitsverträge vorlegen, den die meisten schlicht nicht haben. „Journalisten sind die Stimme des Volkes. Der Staat muss sicherstellen, dass sie ihre Arbeit machen können ohne fürchten zu müssen verhaftet, angeklagt oder erschossen zu werden“, so Saady weiter. Sie sieht das Syndikat in der Pflicht sich für Freie einzusetzen. Die Ankündigung der Syndikatsleitung kugelsichere Westen bereitzustellen und Medienorgane anzuhalten Lebensversicherungen für freie Reporter abzuschließen sei ungenügend.
Die Hauptforderungen der streikenden Journalisten sind die Einleitung von Ermittlungen in allen Todesfällen sowie die Einführung einer adäquaten Regelungen bei Arbeitsverträgen, Kompensation bei physischen oder materiellen Schäden und die Freilassung aller derzeit inhaftierter Journalisten, sabt Bakr El Sharkawy, einer der Organisatoren des Protestes. Seit Mursis Sturz arbeiten Reporter am Nil in einer extrem angespannten Atmosphäre. Neben massiven Übergriffen gegen Journalisten seitens Sympathisanten der Muslimbrüder gehören Verhaftungen durch Sicherheitskräfte zum Alltag. Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen listet Ägypten 2014 auf Platz 159 von 180 Ländern.
© Sofian Philip Naceur 2014