Am 24. Oktober sprengte sich ein Selbstmordattentäter an einem Militärcheckpoint nahe der Kleinstadt Scheikh Zuweid im Norden der Sinai-Halbinsel in die Luft und tötete 30 Soldaten. Nur Stunden später griffen bewaffnete Islamisten einen weiteren nahe gelegenen Checkpoint an und töteten drei weitere Soldaten. Es war die schwerste Anschlagswelle am Nil seit Jahren. Die im Sinai operierende militante Islamistengruppe Ansar Bait Al-Maqdis gilt als mutmaßlicher Drahtzieher der Angriffe. Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi erklärte den Ausnahmezustand und eine Ausgangssperre für den Nord-Sinai, bezeichnete die in der Provinz operierenden militanten Gruppen als „existenzielle“ Bedrohung und sagte, die jüngsten Anschläge seien aus dem Ausland unterstützt worden. Das am Nil inflationär gebrauchte Bild eines aus dem Ausland gesteuerten Angriffs auf das „ägyptische Volk und die Armee“ soll jedoch vielmehr von Verantwortlichkeiten ablenken, denn während sich das wieder fest im Sattel sitzende alte Regime nach der Entmachtung des islamistischen der Muslimbruderschaft angehörenden Ex-Präsidenten Mohamed Mursi im Juli 2013 darauf konzentrierte die Bruderschaft politisch kalt zu stellen und zehntausende ihrer Mitglieder und Sympathisanten hinter Schloss und Riegel zu bringen, hat Ägyptens Führung unter Al-Sisi im Sinai schlichtweg versagt (erschienen in Junge Welt am 4.11.2014).
Doch warum ist die sicherheitspolitische Lage grade auf dem kleinen Sinai derart außer Kontrolle geraten und warum bekommt die Armee das Problem nicht in den Griff? Auch stellt sich die Frage wie Ägyptens Militärapparat für Sicherheit in der riesigen westlichen Wüste sorgen soll, wenn sie schon nicht fähig ist einige Dörfer im Nord-Sinai zu befrieden. Ansar Bait Al-Maqdis konzentrierte sich schließlich bei Angriffen auf Sicherheitskräfte meist auf die Region Al-Arish. Erst 2013 weitete die Gruppe ihren Aktionsradius auf Ägyptens Kernland aus. Kairos Anti-Terror-Politik ist gescheitert, doch die Regierung hält nach den jüngsten Anschlägen an ihrer katastrophalen Strategie fest und setzt ihre drakonische Vorschlaghammerpolitik im Sinai konsequent fort, die sich auch gegen die im Gaza-Streifen regierende palästinensische Hamas richtet.
Militäroffensive im Sinai
Derweil reagierte die Armee auf die Anschlagswelle im Sinai mit Luftangriffen auf den Norden der Provinz. Doch haben sich alle diese Mittel bereits als ungeeignet erwiesen, um die Lage zu beruhigen. Notstand und Ausgangssperre sind für die Bewohner des Nord-Sinai nichts Neues. Bereits seit August 2012 herrscht dort faktisch der Notstand. Ausgangssperren wurden immer wieder durchgesetzt und durch die jüngsten Präsidialdekrete lediglich legalisiert. Zudem haben erhöhte Militärpräsenz, Razzien und Luftschläge das sicherheitspolitische Problem auf dem Sinai keineswegs gelöst, sondern die Lage vielmehr eskalieren lassen.
Dennoch halten Al-Sis und Ägyptens Militärregime an ihrer Strategie fest ausschließlich mit Gewalt gegen die Radikalislamisten vorzugehen. Von politischer, sozialer und wirtschaftlicher Integration der strukturell vernachlässigten Provinz ist keine Rede. So begannen Armeeeinheiten am 28. Oktober mit der Evakuierung einiger Kleinstädte und Dörfer an der Grenze zu Israel. Ägyptens Armee war nicht in der Lage die Verstecke der militanten Miliz in der Region Al-Arish ausfindig zu machen, ihre Strukturen zu unterwandern oder zu zerschlagen und reagiert nun mit Kollektivbestrafung. Rund 10000 Menschen sollen umgesiedelt werden.
Die Armee hat bereits mit der Evakuierung einer 500 Meter breiten Pufferzone entlang der Grenze zum Gaza-Streifen begonnen und erste Häuser gesprengt, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Offizielle Begründung: das Tunnelsystem zwischen Gaza und der ägyptischen Grenzstadt Rafah soll zerstört werden. Während Kairo die Verantwortlichen für die jüngsten Anschläge in Gaza ausmacht, zeigt die umstrittene Umsiedlung, die auch zum Ziel hat die Hamas als Verbündeten der Muslimbruderschaft weiter zu isolieren, dass Ägyptens Armee für einen asymmetrischen Krieg schlicht nicht vorbereitet ist. Wie so oft packt die Regierung das Problem im Nord-Sinai nicht bei seinen Wurzeln, sondern lässt blindlings zurückschießen und 10000 Menschen im Sinai für die Verfehlungen von Armee und politischer Führung in Kairo geradestehen.
Vernachlässigt und marginalisiert
Der Nord-Sinai gilt bereits seit Jahren als Rückzugsgebiet für militante Islamisten. Nach dem Sturz Mohamed Mursi intensivierten sich die Auseinandersetzungen zwischen Radikalislamisten und Sicherheitskräften in der Provinz. Ansar Beit Al-Maqdis attackierte dabei dutzende Male Armeecheckpoint oder Polizeistationen in der seit Jahrzehnten von der Zentralregierung vernachlässigten Region. Zuvor hatte die Gruppe ausschließlich das benachbarte Israel angegriffen, attackiert jedoch seit Mitte 2013 regelmäßig Ägyptens Sicherheitsapparat. Vor Entführungen von Touristen im Süd-Sinai wird zwar immer noch gewarnt, doch solch kriminelle Aktivitäten haben keinesfalls dieselbe sicherheitspolitische Sprengkraft wie die außer Kontrolle geratene Lage im Norden, der zu einem gesetzlosen Raum mutiert ist. Waffen-, Drogenschmuggel und Menschenhandel florieren hier seit Jahren. Kairo schaute lange weg.
Wirtschaftlich blieb die Region an der Grenze zu Israel unterentwickelt und strukturell vernachlässigt. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und die wenigen Investitionen vor Ort kamen weniger den dort lebenden Beduinen zugute als vielmehr Investoren und Arbeitern aus dem Nildelta. Ein Grund dafür ist der Friedensvertrag mit Israel von 1979, der auf ägyptischer Seite der Grenze eine entmilitarisierte Zone vorsieht und Ägyptens sicherheitspolitische Souveränität im Sinai einschränkt. Die Präsenz ägyptischer Sicherheitskräfte ist durch das Abkommen vertraglich begrenzt. Die Region um Al-Arish und Rafah mauserte sich fortan zum perfekten Rückzugsraum für Kriminelle und Radikale, die das Machtvakuum geschickt für sich zu nutzen wussten und ungestört Israel unter Beschuss nehmen konnten. Der Schmuggel von Gütern durch die Tunnel zwischen Rafah und Gaza entwickelte sich derweil zur wichtigsten Einnahmequelle für die lokale Bevölkerung, doch auch seit Ägyptens Regierung die Tunnelwirtschaft erklärtermaßen austrocknen will, bot Kairo den vor Ort lebenden Menschen keine Alternativen. Kein Wunder also, dass laufend neue Tunnel gegraben wurden.
Im Sommer 2012, kurz nach dem Amtsantritt Mohamed Mursis, attackierten Extremisten einen ägyptischen Grenzposten, töteten 16 Soldaten und griffen mit gepanzerten Fahrzeugen die israelische Grenze an. Mursi ließ Truppen nach Al-Arish verlegen und lancierte eine großangelegte Militäroffensive gegen die Islamisten. Israel gab mit Verweis auf die Abmachungen des Camp-David-Vertrages von 1979 nur zögerlich grünes Licht für die von Kairo begonnene Verlegung von schwerem Gerät an seine Grenze und baute seinerseits einen rund 240 Kilometer langen Grenzzaun von Gaza nach Eilat am Golf von Aqaba, der seither die Grenze zwischen beiden Länder hermetisch abriegelt. Mursi zog personelle Konsequenzen aus dem Scheitern der Armee, entließ den langjährigen Verteidigungsminister Hussein Tantawi und ersetzte ihn mit dem damaligen Chef des Militärgeheimdienstes Abdel Fattah Al-Sisi, dem heutigen Präsidenten Ägyptens.
Professionalisierung des Terrors
Doch auch dieser fand kein Mittel, um den Aktivitäten islamistischer Gruppen im Nord-Sinai ein Ende zu bereiten. Im Gegenteil. Während Einrichtungen der Sicherheitsbehörden im gesamten Land seit Mitte 2013 mit riesigen Betonwänden und zusätzlichem Personal geschützt werden, reagierte die Armee immer wieder mit plumpen Racheakten auf Anschläge. Im Nord-Sinai hieß das: Ausgangssperren, hunderte Razzien gegen Verdächtige, Straßensperren und unpräzise Luftschläge, die immer wieder Zivilisten trafen. Tantawi und nun auch Al-Sisi sind mit ihrem konventionellen Krieg im Nord-Sinai krachend gegen die Wand gefahren.
Unterdessen hat sich Ansar Bait Al-Maqdis fest im Nord-Sinai etabliert. Die libanesische Zeitung Al-Akhbar zeichnet im Oktober ein düsteres Bild der Region. Ansar Bait Al-Maqdis habe begonnen Straßensperren zu errichten, um Jagd auf Polizisten und Soldaten in zivil sowie Informanten des ägyptischen und israelischen Geheimdienstes zu machen und Papiere von Anwohnern zu kontrollieren. Die Gruppe beabsichtige offenbar eine Form quasi-staatlicher Kontrolle in der Region Rafah und Scheikh Zuweid durchzusetzen, resümiert Al-Akhbar. Zudem habe sie mittlerweile informelle Kontakte zum Islamischen Staat (IS) in Syrien und dem Irak konstituiert, berichtet Reuters. Inspiriert von den „Erfolgen“ des IS versuche sie diesen und ihre Methoden partiell zu kopieren – sowohl in ihrer Ordnungsfunktion als auch in ihrer gewaltsamen Symbolik. So habe es bereits erste Enthauptungen im Sinai gegeben, so Reuters weiter. Der Kontakt zwischen IS und Ansar Bait Al-Maqdis sei zwar bisher lediglich informeller Natur, doch ist diese Entwicklung angesichts der zunehmenden grenzüberschreitenden Aktivitäten militanter Islamistengruppen im Sahara-Raum besorgniserregend.
Rückzugsraum Sahara
Die im Sinai operierenden Terrorgruppen profitieren seit Jahren von den politischen Instabilitäten in Libyen, schließlich gelangten nach den Plünderungen der Waffenkammern des gestürzten libyschen Machthabers Muamar Al-Ghaddafis modernste Rüstungsgüter auf den Sinai. Die Schmuggelrouten von Libyen in den Sinai sind zudem trotz der erhöhten Präsenz ägyptischer Sicherheitskräfte und der intensivierten Aktivitäten von Ägyptens Geheimdienst weiterhin intakt. Waffen- und Menschenschmuggler in Sahara und Sahel verfügen ferner über jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit geheimdienstlich-militärischer Praxis in Nordafrika.
Nach dem Sieg der radikalislamistischen Heilsfront (FIS) bei der Parlamentswahl in Algerien 1991 putschte sich die Armee an die Macht und begann eine beispiellose Hetzjagd auf die FIS. Ihr militärischer Arm ging in den Untergrund und lieferte sich mit Algeriens Armee einen blutigen Bürgerkrieg, der mindestens 150000 Menschenleben forderte. Algeriens gefürchteter Geheimdienst DRS förderte damals aus machtpolitischem Kalkül islamistische Gruppen und begann mit einer großangelegten Infiltrierung zahlreicher Zellen, um diese weiter anzutreiben, damit öffentlich zu diskreditieren und den Herrschaftsanspruch des Militärregimes zu untermauern. Der DRS war nachweislich an Massakern an Zivilisten beteiligt. Machtpolitisch war der Dienst erfolgreich, schließlich reihte sich die Öffentlichkeit bald hinter dem Regime ein und die Islamisten verloren an Rückhalt. Doch der Preis war hoch. Der Konflikt hatte sich nach Amtsantritt des noch heute regierenden Präsidenten Abdelaziz Bouteflika beruhigt, doch verschwunden ist die Terrorgefahr aus Algeriens Süden nie.
Sahara und Sahel boten den perfekten Rückzugsraum für militante Gruppen, die die Wirren des algerischen Bürgerkrieges überstanden, sich mehrfach neu formierten und ihren Aktionsradius erweiterten. Der Krieg in Libyen 2011 fungiert als Katalysator für die Aktivitäten dieser und anderer Gruppen. Während Waffen aus libyschen Beständen 2012 den Krieg in Mali anheizten, hat auch Tunesien seither mit radikalen Islamisten zu kämpfen. Ansar Al-Scharia operiert vor allem an der algerisch-tunesischen Grenze und in Libyen. Tunesien ist im Kampf gegen die Gruppe auf algerische Unterstützung angewiesen, da Algeriens Militär als einzige Armee in der Region Erfahrungen mit asymmetrischen Guerillataktiken vorzuweisen hat. Während Algerien auf die teils selbst kreierte Bedrohung vorbereitet ist, bleibt Ägyptens Armee machtlos.
Das Al-Farafra-Attentat
Sei Ausbruch des libyschen Bürgerkrieges erlebte Ägypten an seiner nördlichen Grenze zu Libyen vermehrt Angriffe islamistischer Rebellen, doch das Attentat auf einen Armeeposten am 19. Juli 2014 bei Al-Farafra in Ägyptens westlicher Wüste, bei dem 22 Soldaten getötet wurden, öffnete ein neues Kapitel von Ägyptens Anti-Terror-Kampf. Nach dem Anschlag ist klar: das Land wird zukünftig auch im Westen mit islamistischen Gruppen zu kämpfen haben. Die Armee verlegte nach dem Anschlag Truppenverbände in die Region und startete Militäroperationen. So reagiert Ägyptens Militär auch weiter mit dem Vorschlaghammer und nimmt Kollektivbestrafungen der Bevölkerung billigend in Kauf. Ägyptens Streitkräfte haben keinerlei Erfahrungen mit asymmetrischen Konflikten. Im Zuge der Anti-Terror-Kampagne der 1990er Jahre, als die gewaltbereite Gamaa Al-Islamiya versuchte mit Anschläge in Touristenhochburgen das Regime zum Wanken zu bringen, war nicht das Militär der Aktivposten der Kampagne, sondern das Innenministerium, das im Zuge der Anti-Terror-Maßnahmen eine blutige Spur an Menschenrechtsverletzungen hinterließ – so wie heute die Armee.
Im Frühjahr 2014 wurde zudem in der regionalen und internationalen Presse vermehrt über die Existenz der Freien ägyptischen Armee spekuliert. Berichten saudischer und libanesischer Zeitungen zufolge hatte sich in Libyen eine Gruppe formiert, die durchaus das Potential haben könnte Ägypten sicherheitspolitisch in Bedrängnis zu bringen. Kairo dementiert die Existenz einer solchen Zelle vehement. Während gewalttätige Vorfälle im Norden der libysch-ägyptischen Grenze bisher meist auf Waffen- oder Menschenschmuggel zurückzuführen sind, ist der Anschlag in Al-Farafra das bisher deutlichste Zeichen von intensivierten Aktivitäten radikaler Gruppen in West-Ägypten, die sich das Sicherheitsvakuum in der Sahara zu Nutzen machen und von Libyen aus operieren. Kairos Anti-Terror-Politik ist vor allem deshalb zum Scheitern verurteilt, da die Armee nicht fähig ist den kleinen Sinai unter Kontrolle zu bringen, während die schwer zugängliche westliche Wüste sicherheitspolitisch eine weitaus größere Herausforderung ist. Kairo setzt weiter konsequent auf brachiale Gewalt statt dem militanten Nährboden in der Peripherie des Landes mit politischen, sozialen und wirtschaftlichen Mitteln zu begegnen und diesen damit auszutrocknen.
Instrumentalisierter Terror
Derweil instrumentalisiert Ägyptens Regime den Terror im Land vor allem seit 2013 für politische Zwecke. Al-Sisi setzte seit der Absetzung Mursis verstärkt auf einen sicherheitspolitischen Diskurs, betonte immer wieder die Notwendigkeit militärisch gegen radikale Gruppen vorgehen zu müssen und rechtfertige damit auch den Sturz der Muslimbruderschaft. Doch so polarisierend die Politik der Bruderschaft auch war, ihre politische Exklusion und die Jagd der Machthaber in Kairo auf ihre Anhängerschaft ist politisch motiviert.
Kairo setzt seit den jüngsten Anschlägen wieder vermehrt auf nationalistische Rhetorik und nutzte die Gelegenheit für einen Seitenhieb auf die seit Wochen an Ägyptens Universitäten protestierenden Studenten und die Zivilgesellschaft, die angesichts der Verschärfung des Strafgesetzbuches im Sommer sowie der geplanten Revision eines Gesetzes zur Regulierung der Aktivitäten nicht-staatlicher Organisationen bereits nervös mit den Hufen schart. Ägyptens Öffentlichkeit reihte sich zudem mehrheitlich brav hinter Präsident Al-Sisi und der Armee ein und verurteilt Kritik an rigiden und plumpen Racheaktionen der Armee im Sinai.
TV-Moderatoren wie Ahmed Moussa oder Mostafa Al-Bakry forderten wiederholt Vergeltung und eine Ausweitung staatlicher Befugnisse im Anti-Terror-Kampf. Mit der Öffentlichkeit im Rücken erließ Al-Sisi am 27. Oktober ein Dekret, dass die ohnehin schon umstrittene Militärgerichtsbarkeit für Zivilisten ausweitet. Fortan werden nicht nur Angriffe auf die Armee an Militärgerichte übergeben, sondern alle Fälle, die „vitale Einrichtungen“ wie Gaspipelines, Bahnhöfe, Straßen und Brücken betreffen. Studenten und Schüler, die Bildungsinstitutionen „sabotieren“, können zukünftig auch vor Militärgerichten abgeurteilt werden. Das Dekret ist eine Blankovollmacht jede bei einer Demonstration verhaftete Person nicht mehr nur nach dem drakonischen Protestgesetz aburteilen zu können, sondern diese der vom Militär kontrollierten vollkommen intransparenten Paralleljustiz zuzuführen. Ägyptens Militärregime instrumentalisiert wieder einmal einen Anschlag, um die Versammlungsfreiheit einzuschränken und die Befugnisse der Armee auszuweiten.
Derweil bleibt der Sinai für Kairos Zentralregierung politisch, sozial und wirtschaftlich vergessen. Die jüngste Anschlagswelle zeigt jedoch: das Land wird trotz oder grade wegen der andauernden Militäroffensive im Sinai und der landesweiten Jagd auf Islamisten ein ernsthaftes Terrorproblem bekommen. Angesichts der militärischen Stärke radikalislamistischer Rebellen im libyschen Bürgerkrieg sowie der in ihre Heimatländer zurückkehrenden Dschihadisten, die sich in Syrien und Irak dem IS angeschlossen haben, dürfte sich die Bedrohung durch militante Islamisten am Nil über kurz oder lang verschärfen. Ägypten muss endlich seine gescheiterte Anti-Terror-Politik im Sinai konsequent von machtpolitischen Erwägungen trennen und von Grund auf reformieren. Kairo muss vor allem im Sinai mit zivilen und wirtschaftlichen Mitteln agieren und der Provinz somit den bereits in voller Blüte stehenden islamistischen Nährboden entziehen, andernfalls werden gewaltbereite Rückkehrer aus Syrien und dem Irak fruchtbares Land vorfinden.
© Sofian Philip Naceur 2014