Freispruch für Hosni Mubarak?

Am Samstag wird das Urteil im „Jahrhundertprozess“ gegen Ägyptens 2011 gestürzten Ex-Präsidenten Hosni Mubarak erwartet. Der langjährig autokratisch regierende Ex-Staatschef ist gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Alaa und Gamal Mubarak, dem damaligen Innenminister Habib Al-Adly und sechs seiner Gehilfen angeklagt während der ägyptischen Revolution zu Gewalt aufgerufen und hunderte Demonstranten getötet zu haben. Das Innenministerium streitet ab für den Tod der Regierungsgegner verantwortlich zu sein. Auch Mubarak leugnet, dass es während der Revolution seitens der Regierung einen Schießbefehl gegeben habe. Menschenrechtsanwälte und Journalisten in Kairo rechnen mit einem Freispruch für Mubarak (erschienen in Junge Welt am 27.11.2014).

Während des 18tägigen Aufstandes gegen das Regime im Januar und Februar 2011 sollen nach offiziellen Angaben 846 Protestler gestorben sein. Andere Quellen sprechen von deutlich mehr Opfern. Der Bericht einer von der Regierung des 2013 abgesetzten Ex-Präsidenten Mohamed Mursi einberufenen Kommission macht die Sicherheitskräfte für den Tod der Demonstranten verantwortlich. Deren oberster Befehlshaber war Al-Adly, der sowohl der Polizei als auch dem gefürchteten Inlandsgeheimdienst Amn Al-Dawla vorstand. Al-Adly sitzt bereits seit 2011 eine mehrjährige Haftstrafe wegen Korruption und Geldwäsche ab. Mubarak steht in einem Militärkrankenhaus im Oberklasseviertel Maadi im Süden Kairos unter Hausarrest.

Der Prozess begann bereits im August 2011 und fand im Juni 2012 mit der Verkündung einer lebenslangen Haftstrafe für Mubarak und Al-Adly sein vorläufiges Ende. Der Staatsanwalt hatte die Todesstrafe gefordert. Die sechs Mitangeklagten wurden freigesprochen. Die Anklage gegen Mubarak, seine beiden Söhne und den Multimilliardär Hussein Salem wegen Korruption und Amtsmissbrauch wurde fallen gelassen. Im Januar 2013 wurde das Urteil aufgrund von Verfahrensfehlern aufgehoben und der Prozess neu aufgerollt. Das laufende Verfahren beschäftigt den Kairoer Strafgerichtshof seit August 2013. Der Gerichtsprozess wurde aus Sicherheitsgründen in die Polizeiakademie verlegt. Ein Urteil wurde bereits am vergangenen Samstag erwartet, doch der vorsitzende Richter Mahmoud Al-Rashidi verschob die Verkündung des Urteils auf den 29. November. Das Gericht brauche mehr Zeit, um die Urteilsbegründung vorzubereiten. Am selben Tag kam es vor der Polizeiakademie bereits zu kleineren Rangeleien zwischen Anhängern und Gegnern Mubaraks.

Bevor der Richter den erneuten Aufschubs der Urteilsverkündung bekannt gab, zeigte das Gericht ein Video, in dem tausende Gerichtsunterlagen zu sehen waren, die vor eine Urteilsverkündung noch gesichtet werden müssten. Das Video wurde produziert vom ägyptischen Privatsender Sada Al-Balad, der die letzte Anhörung des Verfahrens am 13. August exklusiv ausstrahlen durfte und offenbar eine Sonderbehandlung seitens des Gerichtes bekommt. Menschenrechtler und Anwälte kritisierten das Video. Es sei „illegal und alarmierend“ wenn ein TV-Moderator derart offen Zugang zu Beweismaterialien in einem solch heiklen Verfahren habe, sagte der Direktor der Menschenrechtsorganisation Arab Network for Human Rights Information Gamal Eid der Nachrichtenplattform Aswat Masriya, einer zur Nachrichtenagentur Reuters gehörenden Website.

In einem weiteren Verfahren, das vor dem gleichen Gericht gegen Mubarak, seine beiden Söhne und Salem anhängig ist, wird ihnen vorgeworfen öffentliche Gelder aus dem Budget für den Präsidentenpalast in Kairo veruntreut und sich aus dem Verkauf von Erdgas nach Israel illegal bereichert zu haben. Strippenzieher in diesem Fall soll erneut Hussein Salem sein. Ägyptens Justiz ermittelt seit Jahren in diversen Fällen gegen den Multimilliardär, allerdings fanden Prozesse gegen ihn bisher immer ohne seine Anwesenheit statt. Salem hat neben der ägyptischen auch die spanische Staatsbürgerschaft und verweilt seit 2011 in Europa.

© Sofian Philip Naceur 2014

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