Ägyptens Sicherheitsapparat steht bereits seit Jahren wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen am Pranger. Dennoch verhandelt die Bundesregierung mit Ägypten derzeit über ein Polizeiabkommen, wie aus der Antwort Berlins auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag hervorgeht. Darin bestätigt die Bundesregierung die Verhandlungen mit ägyptischen Behörden, schweigt sich aber über den konkreten Stand der Gespräche aus. Die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen, heißt es. Gegenstand der geplanten Kooperation sei die „Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung, Verhütung und Aufklärung von Straftaten der organisierten und der schweren Kriminalität, des Terrorismus sowie im Bereich der technischen Hilfe bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen.“ Aufgrund der „instabilen“ politischen Lage in Ägypten waren die Gespräche auf Eis gelegt, jedoch offenbar vor Kurzem wieder aufgenommen worden. In ihrer Antwort auf die kleine Anfrage des Linkspartei-Abgeordneten Andrej Hunko betont die Bundesregierung, dass zur Zeit keinerlei „Unterstützungsmaßnahmen im Polizeibereich“ in Ägypten stattfinden, bestätigt jedoch die Planung „von Schulungen im Bereich der Bekämpfung der Urkundenkriminalität bei gleichzeitiger schulungsbegleitender Ausstattungshilfe“ durch die Bundespolizei. Angesichts der jüngsten Attacken der ägyptischen Regierung auf Zivilgesellschaft und Opposition könnte der Zeitpunkt für die Wiederaufnahme derartiger Verhandlungen mit Kairo jedoch fragwürdiger nicht sein (erschienen in Junge Welt am 10.11.2014).
Bereits im Juni 2013 habe das Bundeskriminalamt (BKA) eine Informationserhebungsreise in Ägypten durchgeführt und Gespräche mit Vertretern des Militärgeheimdienstes und der Zentralen Sicherheitskräfte geführt, also eben jener Institutionen, die auch in jüngster Zeit für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden. Zudem kooperierte Deutschland immer wieder mit Kairo im Bereich der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung. So organisierte das BKA Lehrgänge zur Auswertung des Internets für Ägyptens Staatssicherheitsdienst. Es bleibt unklar, inwiefern die 2010 vom BKA vermittelten Kenntnisse zur Internetkontrolle von Ägyptens Behörden zur Verfolgung von Oppositionellen zweckentfremdet wurden, daher will die deutsche Bundesregierung auch erst reagieren, wenn Beweise für den „Missbrauch des vermittelten Wissens“ vorliegen, heißt es in der Antwort Berlins auf die kleine Anfrage der Linksfraktion.
Angesichts der angekündigten Ausweitung der Internetkontrolle durch Ägyptens Behörden seien jedoch „weitere Missbräuche vorprogrammiert“, sagte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bereits im Juni. Tatsächlich plant Ägypten eine systematische Massenüberwachung von Facebook, Twitter, YouTube und anderen sozialen Netzwerken und hat den Kauf neuer Spionagesoftware ausgeschrieben. Schaut man sich an nach was Ägyptens Innenministerium im Internet Ausschau halten will, sind jedwede Ausbildungshilfen Deutschlands für diese Regierung derzeit schlichtweg unangemessen. Neben Aufrufen zu Demonstrationen und Streiks will Kairo die Diffamierung von Religion und „unmoralisches Verhalten“ strafrechtlich verfolgen lassen. Mit „unmoralischem Verhalten“ dürfen unter anderem Homosexuelle gemeint sein, die seit Kurzem einer verstärkten Verfolgung durch ägyptische Behörden ausgesetzt sind.
Willkürliche Verhaftungen, Schauprozesse gegen Oppositionellen, unverhältnismäßige Polizeigewalt und eine Vielzahl an Gesetzen, die die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einschränken. Dies ist die jüngste Bilanz an Menschenrechtsverstößen der ägyptischen Regierung, die erst am Mittwoch bei einem Treffen des UN-Menschenrechtsrats heftig attackiert worden war. Auch Deutschland kritisierte in diesem Rahmen die Einschränkung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit am Nil. Offenbar weiß die Bundesregierung also durchaus, wie es um die Menschenrechtslage in Ägypten bestellt ist, hält aber dennoch an den zweifelhaften Verhandlungen mit Kairo über ein Polizeiabkommen fest.
© Sofian Philip Naceur 2014