Politisch motivierte Justiz am Nil

Der Strafgerichtshof in Kairo verurteilte am Montag den bekannten Blogger und Menschenrechtsaktivisten Alaa Abdel Fattah und seinen Mitangeklagten Ahmed Abdel Rahman zu je fünf Jahren Gefängnis sowie einer Geldstrafe von umgerechnet 11500 Euro. 18 weitere Angeklagte wurden in dem seit September laufenden Revisionsverfahren zu der gleichen Geldstrafe sowie je drei Jahren Haft verurteilt. Das Gericht bestätigte das Strafmaß für fünf weitere Beschuldigte. Im Juni 2014 hatte ein Gericht in der ägyptischen Hauptstadt Kairo die 25 Angeklagten wegen angeblicher Verstöße gegen Ägyptens restriktives Protestgesetz zu 15 Jahren Haft verdonnert. Ihnen wird vorgeworfen am 26. November 2013 eine nicht genehmigte Demonstration gegen das neue Gesetz und die Ausweitung der umstrittenen Militärgerichtsbarkeit von Zivilisten vor dem Schura-Rat, dem Oberhaus des ägyptischen Parlaments in Kairo, organisiert und dabei Sicherheitskräfte attackiert zu haben. Das aufsehenerregende Verfahren gilt als politisch motiviert, war es doch der erste Fall, in dem Demonstranten auf Grundlage des umstrittenen im November 2013 von Ägyptens Interimspräsident Adli Mansour per Präsidialdekret erlassenen Demonstrationsgesetzes verhaftet und angeklagt wurden (erschienen in Junge Welt am 26.2.2015).

Der ehemalige Kandidat bei der Präsidentschaftswahl 2012 und Strafverteidiger in dem Prozess Khaled Ali betonte bei einer der letzten Anhörungen vor dem Urteilsspruch die Anklage habe keinerlei Beweise für die angebliche Attacke der Demonstranten auf Sicherheitskräfte vorgelegt, ganz im Gegenteil. Ein während des Prozesses gezeigtes Video zeige vielmehr gewaltsame Übergriffe von Polizisten auf die Protestler. Auch habe es widersprüchliche Aussagen von Zeugen der Anklage gegeben, sagte Ali der ägyptischen Internetzeitung Mada Masr. Bei Anhörungen anwesende Journalisten betonten immer wieder, die Beweisführung habe oft wenig bis gar keine Relevanz für die Anklagepunkte des Verfahrens gehabt. Sie sei konstruiert gewesen.

Das nach wie vor gültige Gesetz erklärt regierungskritische Demonstrationen praktisch für illegal, schließlich erlaubt es den Behörden Proteste auf Grundlage sehr vager Kriterien zu untersagen. Proteste sind demnach nicht erlaubt, wenn sie die „allgemeine Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Produktion“ behindern oder verletzen. Zudem legalisiert das Regelwerk bei nicht erlaubten Demonstrationen den Einsatz scharfer Munition durch den Sicherheitsapparat. Neben zahlreichen unabhängigen nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen hat gar der staatlich kontrollierte Nationale Menschenrechtsrat Ägyptens eine rasche Novellierung des Gesetzes eingefordert, doch trotz mehrfacher Ankündigungen von Ägyptens Regierung das Regelwerk zu überarbeiten, ist es nach wie vor in seiner ursprünglichen Fassung in Kraft.

Das jüngste Urteil gegen Abdel Fattah und seine 24 Mitangeklagten ist nur eines von zahlreichen politisch motivierten Gerichtsurteilen gegen bekannte linksliberale Oppositionelle, die wegen angeblicher Verstöße gegen das Protestgesetz hinter Gittern sitzen. Während im Revisionsverfahren gegen Abel Fattahs Schwester Sana Seif und weitere 22 Angeklagte das Strafmaß im Dezember von drei auf zwei Jahre Gefängnis reduziert wurde, verweigerte ein Kairoer Gericht den Antrag auf ein Revisionsverfahren gegen die drei prominenten Mitglieder der Jugendbewegung des 6. April Mohamed Adel, Ahmed Maher und Ahmed Douma. Alle drei wurden im Dezember 2013 wegen Verletzungen gegen das Protestgesetz zu drei Jahren Haft verurteilt.

Derweil werkeln Ägyptens Regierung und Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi derzeit an einer Änderung der Strafprozessordnung. Ägyptens Exekutive will Artikel 277 und 289, die Richter dazu zwingen sowohl Zeugen der Anklage als auch der Verteidigung anzuhören und deren Aussagen zu berücksichtigen, aufweichen und Richtern die Möglichkeit einräumen nach eigenem Ermessen Zeugen zuzulassen oder nicht. Die geplanten Änderungen haben bei ägyptischen Menschenrechtsgruppen einen Aufschrei der Entrüstung ausgelöst.

© Sofian Philip Naceur 2015

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