Zum Scheitern verurteilte Wirtschaftskonzepte und exzentrische Großprojekte bestimmten die am Sonntag zu Ende gegangene Investorenkonferenz im Badeort Scharm Al-Scheikh auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel. Delegationen aus über 100 Ländern, rund zwei Dutzend Staatsoberhäupter und unzählige Führungskräfte internationaler Großkonzerne folgen dem Ruf der ägyptischen Regierung und versammelten sich am Roten Meer, um über Investitionsmöglichkeiten im Land zu verhandeln und mit ausländischen Direktinvestitionen der angeschlagen Wirtschaft auf die Beine zu helfen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), US-Außenminister John Kerry, die Führungsetage von Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) und hochrangige Politiker aus den Golfstaaten gehörten zu den prominenten Besuchern des Gipfeltreffens, von dem sich das autokratisch regierende Militärregime von Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi Impulse für seine am Boden liegende Wirtschaft erhoffte (erschienen in Junge Welt am 19.3.2015).
Das Regime am Nil demonstrierte am Wochenende jedoch erneut seine offenkundige Unfähigkeit Ägyptens sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen mit Nachhaltigkeit zu begegnen und setzt auch weiterhin konsequent auf eine neoliberale Wirtschaftspolitik, die das Land dem sozioökonomischen Kollaps erst näher gebracht hatte und lediglich einer kleinen Elite zu Wohlstand verhalf. Al-Sisis Regime hält am neoliberalen Diktat der Weltökonomie fest und ist wirtschaftspolitisch schlicht überfordert. Symbolisch für das Scheitern der Regenten in Kairo die Lebens- und Einkommensverhältnisse der marginalisierten Bevölkerungsschichten zu verbessern war die Ankündigung der ägyptischen Regierung eine neue Verwaltungshauptstadt aus dem Boden stampfen zu wollen. Ägypten plant demnach den Umzug sämtlicher Regierungsinstitutionen in eine Satellitenstadt in der Nähe von Ain Sukhna am Roten Meer. Die neue Metropole soll Platz für fünf Millionen Einwohner haben, rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze schaffen und wurde vom Kabinett als Patentlösung für die Probleme der aus allen Nähten platzenden Hauptstadt angepriesen. Das Großprojekt stinkt jedoch nach dem Versuch der herrschenden Klasse sich in einer isolierten Luxusoase von den anhaltenden sozialen und wirtschaftlichen Spannungen im Land abzuschotten und damit langfristig den Machterhalt abzusichern.
Nach Angaben von Ägyptens Premierminister Ibrahim Mehleb kratzte das Land im Rahmen der Konferenz rund 72,5 Milliarden US-Dollar in Form von ausländischen Direktinvestitionen und Krediten zusammen und signierte Absichtserklärungen über weitere milliardenschwere Investments. Noch vor der Konferenz hatte Ägyptens Exekutive die Investmentgesetzgebung modifiziert und die Körperschaftssteuer für Klein- und Großunternehmen vereinheitlicht. Mit der Amortisierung des zuvor bestehenden leichten Steuervorteils für kleine und mittelständische Unternehmen sollten noch vor Beginn der Investorenkonferenz insbesondere internationale Großinvestoren umworben und ins Land gelockt werden.
Investitionen in den Energiesektor machten am Wochenende den Großteil ausländischer Direktinvestitionen aus. Allein der britische Energieriese BP verkündete Investitionen in Höhe von zwölf Milliarden US-Dollar zur Erschließung von Erdgasvorkommen im Nildelta, während der deutsche Siemens-Konzern Kraftwerke am Nil bauen will. Das Gesamtvolumen des neuerlichen Engagements des Münchner Unternehmens beläuft sich auf rund vier Milliarden US-Dollar. Weitere Großinvestitionen fließen in Infrastruktur- und Bauprojekte, die meist mit Mitteln aus den Golfstaaten und China finanziert werden sollen.
Anstelle einer auf die Bedürfnisse der verarmten Bevölkerung und der unter Druck stehenden Mittelschicht ausgerichteten Wirtschaftspolitik setzt Kairo auf ausländische Investitionen und waghalsige Großprojekte. Diese Strategie wird die sozialen Spannungen im Land, die maßgeblich zum Ausbruch der Revolution 2011 beigetragen haben, keineswegs eindämmen, sondern vielmehr reproduzieren und verschärfen. Zahlreiche ausländische Industrieprojekte operieren schließlich in steuerbefreiten Sonderwirtschaftszonen, in denen nur wenige Steuereinnahmen akquiriert werden. Das Land benötigt jedoch dringend zusätzliche Einnahmen für seinen strukturell vernachlässigten Bildungs- und Gesundheitssektor. Stattdessen will die Regierung mit strikter Haushaltsdisziplin die ausufernde Inflation und das Haushaltsdefizit in den Griff bekommen.
Während Gabriels Anwesenheit in Scharm Al-Scheikh Berlins Annäherung an das Regime in Kairo impliziert, warnt die der Bundesregierung nahe stehende Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einem Bericht vor den verheerenden Folgen von Kairos Wirtschaftspolitik. Großprojekte und ausländische Investitionen würde keinen nachhaltigen wirtschaftlichen Wandel einleiten. Die SWP warnt gar vor der weiteren Destabilisierung des Landes und fordert angesichts der zu erwartenden anhaltenden politischen Repression des Regimes EU und Deutschland dazu auf von einer Unterstützung für Al-Sisis Wirtschaftspolitik konsequent abzusehen.
© Sofian Philip Naceur 2015