Ägyptische Justiz spielt auf Zeit

Die Urteilsverkündung im Prozess gegen die drei in Ägypten angeklagten Al Dschasira Journalisten Mohamed Fahmy, Baher Mohamed und Peter Greste wurde am Sonntag erneut verschoben. Der zuständige Richter Ahmed Yousri begründete die Entscheidung damit, dass die Angeklagten dem Gerichtsverfahren aus Sicherheitsgründen ferngeblieben waren. Eine groteske Begründung, schließlich wurde der Australier Greste bereits im Februar nach Australien abgeschoben. Damit wurde die Verkündung eines Urteils innerhalb einer Woche schon zum zweiten Mal aufgrund fadenscheiniger Gründe abgesagt. Erst letzte Woche hieß es, der Richter sei krank. Neuer Termin für die Verlesung eines abschließenden Richterspruchs ist der 29. August. Die Absurdität des seit Jahresbeginn laufenden Wiederaufnahmeverfahrens geht damit in eine neue Runde (erschienen in Junge Welt am 5.8.2015).

Die drei Mitarbeiter des englischsprachigen Ablegers des im Golfemirat Katar ansässigen Satellitensenders wurden im Dezember 2013 in Kairo verhaftet und im Juni 2014 zu sieben und zehn Jahren Haft verurteilt. Ihnen wird vorgeworfen Falschnachrichten verbreitet und die in Ägypten als Terrorvereinigung deklarierte 2013 entmachtete Muslimbruderschaft unterstützt zu haben. Der Prozess gilt als politisch motiviert, auch da der Sender offen mit den Muslimbrüdern sympathisiert und das heute in Kairo regierende Militärregime scharf kritisiert. Nach der Zulassung des Revisionsprozesses wurde Greste im Februar auf Grundlage eines von Ägyptens Staatschef Abdel Fattah Al-Sisi erlassenen Präsidialdekrets, das die Abschiebung verurteilter Ausländer erlaubt, ausgeflogen. Fahmy und Mohamed wurden am 11. Februar auf Kaution freigelassen und warten seither auf ein Urteil. Fahmy, der neben dem ägyptischen auch einen kanadischen Pass besitzt, legte noch im Februar seine ägyptische Staatsbürgerschaft ab und hofft seither, dass das Dekret auch in seinem Fall Anwendung findet. Al-Sisi betonte damals er könne sich nicht in Angelegenheiten der Justiz einmischen, wolle die Reporter jedoch begnadigen, sollte das erstinstanzliche Urteil im Revisionsprozess bestätigt werden.

„Die Dreistigkeit und die anhaltende Respektlosigkeit gegenüber unseren Rechten sind unerreicht“, schrieb Fahmy noch am Sonntag auf Twitter. Fahmys Anwältin Amal Clooney verurteilte die erneute Verschiebung der Urteilsverkündung in einer Pressemitteilung aufs Schärfste und wittert politische Motivation hinter der jüngsten Entscheidung des Gerichts. Beobachtern sei nicht entgangen, dass die verlegte Urteilsverkündung gegen die Journalisten mit dem gestrigen Staatsbesuch von US-Außenminister John Kerry in Kairo sowie der offiziellen Eröffnung des neuen Suez-Kanals am Donnerstag zusammenfalle, so Clooney.

Fahmys Anwältin steht derweil mit ihren Mutmaßungen über die Hintergründe der erneuten Aufschiebung einer Urteilsverkündung nicht allein da. „Es ist gewiss kein Zufall, dass der Prozess gegen Fahmy, Mohamed und Greste erneut in die Länge gezogen wird“, meint ein ägyptischer Menschenrechtler, der aufgrund der politischen Sprengkraft des Verfahrens gegen die drei Al Dschasira Reporter lieber anonym bleiben will. „Die Ergebnisse der letzten beiden Anhörungen weisen vielmehr darauf hin, dass die Richter das erstinstanzliche Urteil bestätigten werden. Stünde ein Freispruch bevor, hätten die Richter das Urteil spätestens am Sonntag verlesen“, meint er. Der Medienrummel vor der Eröffnung des neuen Suez-Kanals sei der perfekte Zeitpunkt für die Regierung gewesen, um die internationale Öffentlichkeit mit einem Freispruch in dem Prozess gegen die drei Journalisten zu beschwichtigen, sagt er weiter. Die erneute Verschiebung sei alarmierend.

Ägyptens Militärregime steht seit der gewaltsamen Absetzung des islamistischen der Muslimbruderschaft angehörenden Expräsidenten Mohamed Mursi im Juli 2013 für seinen Umgang mit Journalisten am Pranger. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen sitzen derzeit nur in China, Eritrea und Iran mehr Journalisten hinter Gittern. In Ägypten sollen es zur Zeit insgesamt 16 Reporter sein.

© Sofian Philip Naceur 2015

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