Berlin weiß von nichts – Polizeikooperation mit Kairo dauert an

Die umstrittenen Ausbildungshilfen deutscher Polizeibehörden für Ägyptens Sicherheitsapparat sind erneut Thema einer parlamentarischen Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Während Berlin in der Antwort auf die Kleine Anfrage (Drucksache 18-7511) wenig konkrete Neuigkeiten zu der Polizeikooperation mit dem Militärregime in Kairo mitteilt, äußert sich die Bundesregierung in dem Dokument mehrfach zu der anhaltend schlechten Menschenrechtslage im Land und dem schwierigen Arbeitsumfeld für die ägyptische Zivilgesellschaft (erschienen in junge Welt am 12.3.2016).

Berlin nehme die Berichte von Menschenrechtsorganisationen „sehr ernst“ und thematisiere die Menschenrechtslage vor Ort gegenüber der ägyptischen Regierung und auch öffentlich, heißt es in dem Schreiben. Die Repression gegen Ägyptens Zivilgesellschaft habe zuletzt zugenommen. Dies gelte auch für Projekte und Organisationen, in denen deutsche Staatsangehörige arbeiten. Damit räumt die Bundesregierung erstmals offen ein, dass die Repression gegen die Zivilgesellschaft auch eine Gefahr für deutsche Staatsangehörige sein kann.

Umso bemerkenswerter ist vor diesem Hintergrund das Festhalten Berlins an den Ausbildungshilfen für den ägyptischen Polizei- und Geheimdienstapparat. Denn die Bundesregierung gibt an, keinerlei Erkenntnisse davon zu haben, ob in den Jahren 2015 und 2016 das „im Rahmen der Ausbildungs- und Ausstattungshilfe zugunsten Ägyptens vermittelte Wissen oder zur Verfügung gestellte Technik missbräuchlich oder entgegen rechtsstaatlicher Maßstäbe eingesetzt wurde.“ Eine Neubewertung oder Aussetzung dieser Maßnahmen sei aus diesem Grunde nicht erforderlich, so die Bundesregierung.

Berlin betont ferner man habe im Rahmen der bisherigen Ausbildungs- und Ausstattungshilfen für Ägypten Wert darauf gelegt, dass nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und unter Beachtung der Menschenrechte ausgebildet wird. Das mag zwar sein, doch seit Beginn der polizeilichen Kooperation Berlins mit Kairo hat sich die Menschenrechtslage am Nil massiv verschlechtert. Während die Bundesregierung mäßigend auf den Polizeiapparat in Ägypten einwirken will, tendiert der Reformwille des ägyptischen Innenministeriums gen Null. Willkürliche Verhaftungen, Polizeigewalt und systematische Folterpraktiken von Sicherheitskräften gehören vor allem seit 2015 wieder zur Normalität im Land.

„Es ist reiner Zynismus wenn die Bundesregierung behauptet, sie prüfe ‚fortlaufend‘, ob vermitteltes Wissen oder Ausstattungshilfen rechtsstaatlich eingesetzt wird“, erklärt der Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag Andrej Hunko in einer Stellungnahme. Er gehe davon aus, dass solche Prüfungen höchstens auf dem Papier erfolgen. Nur so sei es zu erklären, dass dem Bundesinnenministerium ‚keine Erkenntnisse‘ vorliegen, dass ihre Unterstützung missbräuchlich angewendet wird, so Hunko. Eine ernsthafte Evaluation müsse sich auf Angaben von Bürger- und Menschenrechtsgruppen stützen, da diese regelmäßig auf schwerste Verstöße von Militär und Polizei hinweisen. In der Tat sind lokale Menschenrechtsorganisationen unumgänglich, will man sich ein Bild von Verfehlungen staatlicher Sicherheitsorgane in Ägypten machen, denn die ägyptische Regierung verharmlost Folterpraktiken und Vorfälle von Polizeigewalt konsequent als „Einzelfälle“.

Während Hunko jedwede Unterstützung des ägyptischen Sicherheitsapparates als „Beihilfe zur Repression“ bezeichnet, verabschiedete das EU-Parlament am Donnerstag eine nicht bindende Resolution, in der die Kammer dazu aufruft Exportlizenzen für Ausrüstung, die für Menschenrechtsverstöße missbraucht werden kann, auszusetzen und die Sicherheitszusammenarbeit europäischer Staaten mit Kairo zu prüfen. Derweil baut jedoch insbesondere Frankreich seine militärische Kooperation mit Ägypten massiv aus und ist mittlerweile zu einem der größten Waffenlieferanten des ägyptischen Regimes aufgestiegen.

© Sofian Philip Naceur 2016

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