Der Streit um die umstrittene Neuordnung der maritimen Grenzziehung zwischen Ägypten und Saudi-Arabien im Roten Meer geht in eine neue Runde. Am Dienstag erklärte ein Gericht in Kairo die Grenzneuziehung zwischen beiden Staaten im Roten Meer, die die zwei Inseln Tiran und Sanafir vor der Küste der Tourismushochburg Scharm Al-Scheikh unter saudi-arabische Kontrolle gestellt hätte, für null und nichtig. In der Urteilsbegründung bekräftigte der vorsitzende Richter, Yehia Al-Dakroury, die Souveränität Ägyptens über die zwei Inseln und versetzt dem Regime von Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi damit einen herben Dämpfer (erschienen in junge Welt vom 23.6.2016).
Der Deal war im Rahmen des Staatsbesuchs des saudischen Monarchen Salman Bin Abdelaziz in Kairo Anfang April überraschend bekanntgegeben worden und hatte in Ägypten einen Aufschrei der Entrüstung ausgelöst. Die Opposition, aber auch regimenahe politische Kräfte, opponierten massiv gegen das Abkommen. Kritiker des Deals sowie Beobachter vermuten hinter der Abgabe der Inseln an Riad ein Zugeständnis an das finanzstarke Königreich, da dieses das Regime Al-Sisi seit dessen Machtergreifung im Juli 2013 großzügig mit Hilfszahlungen und Krediten unterstützt und damit den völligen Zusammenbruch der angeschlagenen Wirtschaft am Nil verhindert hatte.
Der Sprecher von Ägyptens Außenministerium, Ahmed Abu Zeid, sagte der Tageszeitung Daily News Egypt, die Regierung respektiere die „Meinung der Justiz“. Dennoch wird damit gerechnet, dass Ägyptens Exekutive gegen das Urteil Berufung einlegen wird.
Der für die Klageschrift verantwortliche linke Menschenrechtsanwalt Khaled Ali zeigte sich nach der Urteilsverkündung zufrieden und optimistisch für ein mögliches Berufungsverfahren. Seine Beschwerde vor einem Kairoer Verwaltungsgericht basierte auf maritimen Karten, historischen Dokumenten und der 2014 in Kraft getretenen neuen Verfassung des Landes. „Die Arabische Republik Ägypten ist ein souveräner Staat, vereinigt und unteilbar“, heißt es in Artikel 1. Artikel 151 wiederum wurde bei der Urteilsverkündung nicht explizit erwähnt, lässt aber kaum Zweifel daran, dass zumindest die verfassungsrechtlichen Prozeduren für eine Gebietsabgabe an einen anderen Staat durch das Abkommen mit Riad verletzt wurden. Der Artikel sieht bei Fragen, die die Souveränität des Landes betreffen, ein öffentliches Referendum vor, eine Regelung, die von Al-Sisi bislang konsequent ignoriert wurde.
Der Menschenrechtsanwalt Malek Adly, der neben Khaled Ali für das juristische Vorgehen gegen die Abgabe der beiden Inseln verantwortlich ist, verbleibt unterdessen in Haft. Er war Ende April wegen der Verbreitung von Falschnachrichten und Aufrufen zu nicht genehmigen Protesten aus seiner Wohnung in Kairo verhaftet worden.
Mögliche politische Auswirkungen einer Abgabe der beiden Inseln an Riad werden derweil weiter heiß diskutiert. Denn zwar handelt es sich um zwei weitgehend unbewohnte Inseln, doch ihre geographische Lage im Roten Meer hat das Potential eine langatmige politische Affäre aus der geplanten Landabgabe zu machen. Tiran und Sanafir wurden 1967 im Sechs-Tage-Krieg von der israelischen Armee besetzt und erst nach Unterzeichnung des Camp-David-Abkommens 1979, dem Friedensvertrag zwischen Tel Aviv und Kairo, wieder Ägyptens Kontrolle unterstellt. Jedoch unter Auflagen, denn die zwei Inseln in der Straße von Tiran – dem einzigen maritimen Zugang Israels zum Roten Meer – liegen in der im Camp-David-Vertrag vereinbarten entmilitarisierten Zone, die Ägypten nur eine beschränkte Souveränität über Teile der Sinai-Halbinsel zugesteht.
Saudi-Arabien werde sich im Falle einer Bestätigung des Inseldeals an die Bestimmungen des Camp-David-Vertrags halten, schreibt Zvi Mazel in der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post, zeigt sich aber wenig begeistert über die informelle Einbindung Riads in das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel. Ohne einen formellen Friedensvertrag zwischen Israel und Saudi-Arabien bleibe die Lage volatil, so der ehemalige israelische Diplomat.
© Sofian Philip Naceur 2016