Beim Parteikongress der Sozialistischen Volksallianz (SPAP) am letzten Wochenende gab sich die Prominenz von Ägyptens links-nationalistischer Opposition die Klinke in die Hand. Eigentlich stand vor allem die Neuwahl des Zentralkomitees der sozialistischen Partei auf der Agenda. Doch der Eröffnungsabend des Kongresses erweckte auch den Eindruck des Versuches, Einigkeit in der zersplitterten regimekritischen Linken zu demonstrieren (erschienen in junge Welt am 6.10.2017).
Hochrangige Parteifunktionäre von mindestens sieben Parteien sowie Galionsfiguren der linken Bewegung – oder die, die es einst waren – beschworen ihren Zusammenhalt und ihre Ablehnung der autoritären Politik von Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi und riefen dazu auf, dem unter dessen Regentschaft erstarkten Polizei- und Geheimdienstapparat Paroli zu bieten.
Ägypten dürfe nicht von nur einer Stimme regiert werden, erklärte der SPAP-Vorsitzende Medhad Zahed. Der Griff des Sicherheitsapparates auf die politische Sphäre müsse gelockert werden. „Wir brauchen eine ausgewogene politische Repräsentanz aller politischen Strömungen“, so Zahed.
Der im Land populäre Expräsidentschaftskandidat von 2012 und 2014 und Mitbegründer der nasseristischen Partei der Würde, Hamdeen Sabahi, rief derweil zu einer „breiten demokratischen Front auf der Linken“ auf und bezeichnete Al-Sisi als „schlechte Kopie“ des 2011 gestürzten Expräsidenten Ägyptens Hosni Mubarak. Fünf der anwesenden Parteien kooperieren bereits seit Jahren eng zusammen und formieren informell unter dem Namen Demokratische Strömung. Vor allem SPAP und Sabahis Formation betonten ihre Nähe zueinander.
Neben dem Vorsitzenden der linksliberalen Verfassungspartei, Khaled Daoud, und dem Chef von Ägyptens Sozialdemokraten, Farid Zahran, fanden sich auch der ägyptische Ökonom Samir Amin und die früheren Arbeitsminister Ahmed Al-Borei und Kamal Abu Eita auf dem Parteikongress wieder. Beide Exminister spielten eine Schlüsselrolle bei dem kurzweiligen, aber eindrucksvollen Aufstieg unabhängiger Gewerkschaften im Land nach der Revolution 2011. Seit Al-Sisis offizieller Amtsübernahme 2014 sind sie derweil nur noch Zaungäste einer langsamen aber sicheren Erosion der damals errungenen Freiheiten, denn heute sind unabhängige Gewerkschaften abermals heftiger staatlicher Repression ausgesetzt.
Überraschend zeigte sich auch der Gründer der Partei für Brot und Freiheit und Präsidentschaftskandidat von 2012, Khaled Ali, auf dem Kongress. Der Menschenrechtsanwalt war zuletzt als möglicher Gegenkandidat Al-Sisis für die im Frühjahr 2018 anstehende Präsidentschaftswahl gehandelt worden. Doch ein Gerichtsurteil könnte dieser Option frühzeitig einen Strich durch die Rechnung machen. Ali war erst letzte Woche wegen angeblicher „Verletzung des öffentlichen Anstandes“ zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Während Beobachter bereits davon ausgehen, dass er 2018 nicht antreten kann – nach ägyptischem Gesetz dürfen Präsidentschaftskandidaten nicht vorbestraft sein – verweisen andere auf das anstehende Berufungsverfahren. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, so Daoud gegenüber jW.
Der Parteikongress selbst ging am Samstag planmäßig zu Ende. 369 Delegierte aus 17 Provinzen hatten am Freitag das Zentralkomitee der Partei neu gewählt, bestätigt Mamdouh Habashi, der abermals in das 100köpfigen Gremium einzog. Doch ein zentrales Problem bleibt für die SPAP und auch das Gros ihrer linken Partner bestehen; Der hohe Altersdurchschnitt und der niedrige Frauenanteil in den Parteien und vor allem den Parteiführungen. Lediglich Alis Formation und die von heftigen Flügelkämpfen geschwächte Verfassungspartei verfügen in der Jugend des Landes über nennenswerte Sympathien. Auch haben Zugpferde des links-nationalistischen Lagers wie Sabahi nur in Ägyptens urbanen Regionen ansehnlichen Rückhalt, während das gesamte Lager auf dem Land weiterhin ein Randdasein fristet.
© Sofian Philip Naceur 2017