Die im März anstehenden Präsidentschaftswahlen in Ägypten sind entschieden. Zwar hatte niemand mit einem freien Urnengang gerechnet, die jüngsten Entwicklungen machen aus diesem jedoch eine regelrechte Farce. Denn das Kandidatensterben geht kurz vor Ende der offiziellen Registrierungsphase für Präsidentschaftsanwärter munter weiter (erschienen in junge Welt am 27.1.2018).
Am Mittwoch zog der linke Menschenrechtsanwalt, Khaled Ali, seine Kandidatur zurück und begründete den Schritt mit massiven Störungen seiner Kampagne seitens der Regierung. Dieser warf er ebenso wie der für die Durchführung der Wahl zuständigen Nationalen Wahlbehörde (NEA) Verstöße gegen geltende Regeln vor. Damit reagierte Ali auch auf die am Vortag erfolgte Verhaftung von Ägyptens ehemaligem Generalstabschef, Sami Anan. Dieser hatte erst vergangene Woche seine Kandidatur angekündigt und galt als einzig ernstzunehmender Kontrahent von Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi, dessen Wiederwahl nach Anans Ausscheiden als gesichert gilt.
Begründet wurde Anans Verhaftung mit angeblichen Verletzungen der Militärstatuten, die aktiven Angehörigen der Armee politische Aktivitäten verbieten. Er wird beschuldigt, seine Kandidatur ohne Erlaubnis des Militärs lanciert und damit versucht zu haben, Streitkräfte und Öffentlichkeit zu entzweien. Schon im Dezember wurde der Armeeoffizier Ahmed Konsowa auf Grundlage ähnlicher Anschuldigungen verhaftet und zu sechs Jahren Haft verurteilt, nachdem er im Internet angekündigt hatte, gegen Al-Sisi antreten zu wollen.
Die NEA erklärte derweil, sie habe Dokumente erhalten, die bestätigten, dass Annan ein weiterhin aktiver Offizier in Diensten der ägyptischen Armee sei. Damit sei „glasklar“, dass er zu Unrecht als Kandidat gelistet war, so die NEA in einer Stellungnahme. Dabei ist diese Argumentation mehr als scheinheilig und das Vorgehen gegen Anan eindeutig politisch motiviert. In einer Fernsehansprache im März 2014 trat der damals dem Verteidigungsministerium vorstehende Al-Sisi in Militäruniform vor laufende Kameras und verkündete seine Kandidatur für die zwei Monate später stattfindenden Präsidentschaftswahlen.
Al-Sisi hatte am Mittwoch seine Bewerbungsunterlagen bei der NEA eingereicht und die für eine erfolgreiche Registrierung notwendige medizinische Untersuchung absolviert. Seine Kandidatur hatte er – diesmal nicht in Uniform, sondern in zivil – am Freitag zum Abschluss einer dreitägigen Konferenz bekanntgegeben, auf der sich Regierungsvertreter und er selbst für die in seiner Amtszeit vollbrachten „Projekte“ rühmten und ausdauernd beweihräuchern ließen.
Der einzige noch im Rennen verbliebene prominente Gegenkandidat ist derweil der Vorsitzende des Kairoer Fußballclubs Zamalek SC und streitsüchtige Parlamentarier, Mortada Mansour. Der als glühender Al-Sisi-Anhänger geltende und regelmäßig mit bizarren Äußerungen auffallende Mansour kündigte schon 2014 an, für das höchste Staatsamt antreten zu wollen, erklärte jedoch kurz darauf, er habe von Al-Sisis Sieg geträumt und ziehe seine Kandidatur daher zurück. Sollt Mansour wirklich Al-Sisis Gegenkandidaten mimen, kann sich das Land zweifelsfrei auf einen inhaltslosen, mit obskuren Wortmeldungen gepflasterten Wahlkampf einstellen.
Anans Verhaftung ist derweil ein kleines politisches Beben und ein weiterer Affront gegenüber den weitgehend ihres exekutiven Einflusses beraubten Seilschaften um den 2011 gestürzten Exdiktator des Landes, Hosni Mubarak. Anan, der als Mitglied des 2011 und 2012 regierenden Obersten Militärrates keineswegs als regimefern gilt, hatte im Zuge seiner Kandidatur den von Al-Sisi entlassenen Exchef des staatlichen Rechnungshofes, Hisham Genena, als seinen Stellvertreter ernannt und den unter Al-Sisi massiv gewachsenen Einfluss der Armee auf Politik und Wirtschaft im Land unverblümt kritisiert. Die Konfrontation zwischen Anan und Al-Sisi gilt als jüngster Ausdruck der offenbar abermals heftiger werdenden Flügelkämpfe innerhalb des Regime.
© Sofian Philip Naceur 2018