Es ist Wahlkampf in Ägypten. Doch niemand rechnet bei der kommende Woche anstehenden Präsidentschaftswahl mit Überraschungen. Die Wiederwahl des ehemaligen Generals und seit 2014 regierenden Amtsinhabers, Abdel Fattah Al-Sisi, gilt bereits seit Monaten als sicher. Sogar sein einziger Herausforderer, der regimetreue Chef der Ghad-Partei, Moussa Mostafa Moussa, macht aus seiner Unterstützung des amtierenden Präsidenten keinen Hehl (erschienen in junge Welt am 22.3.2018).
Inhaltliche politische Auseinandersetzungen zwischen beiden Kandidaten sucht man daher ebenso vergebens wie TV-Duelle oder öffentliche Wahlkampfauftritte. Während Moussa zwar erst gestern eine Pressekonferenz einberief und einige wenige Interviews gab, überließ Al-Sisi den Wahlkampf ausnahmslos seinen Unterstützern und geht weiter seelenruhig seinen Amtsgeschäften nach.
Selbst Wahlkampfveranstaltungen sind derweil rar gesäht. Die hinter Al-Sisi stehende Kampagne organisierte zwar Kundgebungen, auf denen zur Wiederwahl des autoritär regierenden Staatschefs aufgerufen wird, doch Versuche, Enthusiasmus und Partystimmung zu verbreiten und damit potentielle Wähler anzulocken, schlugen bislang weitgehend fehl. Publikumsmagneten waren derlei Kundgebungen keineswegs Bei einer Veranstaltung in Marioteya in der Provinz Giza am Montag versammelten sich zwar rund 200 Menschen, doch um die Sitzreihen zu füllen, mussten Menschen offenbar herangekarrt werden. Auch eine Handvoll Wehrdienstleistender saß in Reih und Glied im Publikum und applaudierte brav.
Al-Sisi genießt jedoch zweifelsohne Unterstützung im Land. Ägyptens Straßen sind bereits seit Wochen gepflastert mit Al-Sisis Konterfei. Plakate wurden dabei nicht nur von dessen offizieller Wahlkampagne aufgehängt, sondern auch von Geschäftsleuten, Politikern oder Ladeninhabern, die mit eigenen Botschaften für die Wiederwahl des Präsidenten werben. Doch weder Al-Sisis Lager noch die Opposition machen sich Illusionen über den Ausgang des Urnengangs. Entsprechend teilnahmslos reagiert die Bevölkerung auf den Urnengang. Das Regime hatte zudem von Beginn an sichergestellt, dass keine erfolgversprechenden Gegenkandidaturen zu dieser eher einem Referendum gleichenden Abstimmung zugelassen werden.
Schon Ende 2017 war die Kandidatur von Ahmed Shafiq verhindert worden. Shafiq, ehemaliger Premierminister unter Ägyptens Exdiktator Hosni Mubarak und ein Vertreter der alten Garde, hatte im November in seinem Exil in den Vereinigten Arabischen Emiraten seine Kandidatur bekanntgegeben, war kurz darauf nach Kairo abgeschoben und offenbar solange unter Druck gesetzt worden, bis er seine Kandidatur zurückzog. Im Gegensatz zu dem linken Menschenrechtsanwalt Khaled Ali und dem ehemaligen Parlamentsabgeordneten Mohamed Anwar Al-Sadat, die sich beide aus Protest gegen das repressive Vorgehen der Behörden gegen unliebsame Herausforderer aus dem Rennen verabschiedeten, hätte Shafiq Al-Sisi durchaus gefährlich werden können. Gleiches gilt für Sami Anan, einem hochrangigen General und ehemaligem Mitglied des Obersten Militärrates, der faktischen Schattenregierung des Landes. Auch Anan wäre gegen Al-Sisi nicht chancenlos gewesen, war jedoch kurz nach Verkündung seiner Kandidatur, die er mit einer heftigen Verbalattacke gegen Al-Sisis Regierungsführung würzte, verhaftet und damit aus dem Rennen gekegelt worden.
Angesichts des munteren Kandidatensterbens ließ sich Moussa in letzter Minute für den Wahlgang registrieren, um der Abstimmung zumindest formal einen demokratischen Anstrich zu verleihen. Seine Ghad-Partei hatte sich erst kurz zuvor hinter Al-Sisis Kandidatur gestellt, während Moussas Facebook-Seite noch am Tag der Bekanntgabe seiner Gegenkandidatur mit einem Al-Sisis unterstützenden Banner geschmückt war. Entsprechend sarkastisch wird Moussas Kampagne seither kommentiert. Während der Gewinner des Urnengangs damit bereits feststeht, bleibt die einzig relevante Frage die Höhe der Wahlbeteiligung, die von der Regierung als Gradmesser für die öffentliche Zustimmung zu Al-Sisis Politik gewertet wird.
© Sofian Philip Naceur 2018