Nachdem seit Anfang August an verschiedenen Orten in Algerien hochansteckende Choleraerkrankungen auftraten, soll die Lage nun unter Kontrolle sein. Gesundheitsminister Mokhtar Hasbellaoui erklärte am Dienstag vergangener Woche, die Krise sei »gemeistert«, da sich die Anzahl der wegen Choleraverdachts in Krankenhäuser eingelieferten Patienten stark reduziert habe. Die Regierung hatte bereits am Wochenende zuvor erklärt, neue Fälle der Durchfallerkrankung seien nur noch in der Provinz Blida südwestlich der Hauptstadt Algier registriert worden (erschienen in junge Welt am 10.9.2018).
Insgesamt hatte das Gesundheitsministerium zuletzt landesweit 74 Cholerafälle bestätigt – 39 davon in Blida und je 15 in Algier und der Küstenprovinz Tipaza. In drei anderen Provinzen im Zentrum des Landes wurden einzelne Erkrankungen nachgewiesen. Auch die Anzahl noch unter Beobachtung stehender Patienten hat sich mittlerweile signifikant reduziert.
Nach wochenlanger Ungewissheit gab die Regierung am vergangenen Mittwoch bekannt, dass der Ursprung der bakteriellen Erkrankung gefunden worden sei. Ein Wasserlauf in der Provinz Blida sei mit Cholerabakterien kontaminiert und die Ursache für die Epidemie in sechs Provinzen des Landes gewesen, heißt es in einer Stellungnahme des Gesundheitsministeriums. Der Interimsgouverneur von Blida, Rabah Ait Hocine, habe Sofortmaßnahmen veranlasst, um die Wasserquelle abzudecken und zu säubern. Nur wenige Tage zuvor hatte Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika den vormaligen Gouverneur der Provinz, Mustapha El-Ayadhi, ohne Nennung von Gründen entlassen und durch Ait Hocine ersetzt.
Das Krisenmanagement der Regierung steht derweil in der Öffentlichkeit weiterhin stark in der Kritik. Obwohl der Patient, der sich später als erster Choleraerkrankter herausstellte, bereits am 7. August in ein algerisches Krankenhaus eingeliefert wurde, bestätigte das Gesundheitsministerium erst am 23. August, dass es sich tatsächlich um die hochansteckende Cholera handelt. Die Regierung wird seither für ihre zögerliche und späte Reaktion kritisiert und für das Ausmaß der Krise mitverantwortlich gemacht.
Der Ausbruch der Cholera sei bereits seit Januar vorhersehbar gewesen, erklärte etwa der Chef der Epidemiologieabteilung des Universitätskrankenhauses Mustapha Basha in Algier, Abdelouahab Bengounia, in der algerischen Tageszeitung El Watan. Er macht die von der Regierung zu verantwortende »eklatante Lockerung« medizinischer Präventivprogramme in den vergangenen 15 Jahren als ein Ursache für Choleraausbruch aus.
Auch die Suche nach deren Ursprung verlief chaotisch. Die Regierung äußerte sich wiederholt widersprüchlich und verharmlosend. Nachdem diese zunächst eine Wasserquelle in Tipaza verantwortlich gemacht hatte, widersprachen die dortigen lokalen Behörden dieser Darstellung und erklärten, die genannte Wasserquelle sei nicht kontaminiert. Kurz darauf sollten bakteriell belastete landwirtschaftliche Produkte als Grund für die Ausbreitung der Krankheit herhalten. Doch die Regierung schwenkte nach nur wenigen Tagen um und erklärte, die Erzeugnisse seien sicher.
Die Behörden ließen unterdessen mehrere hundert Bauern verhaften und warf diesen unter anderem vor, Pflanzen mit verschmutztem Wasser bewässert sowie gesundheitsschädliche Substanzen vergraben zu haben, die Wasser kontaminieren könnten. Außerdem wurden die Landwirte beschuldigt, unerlaubt Brunnen angelegt zu haben, um das Grundwasser anzuzapfen. Die linksliberale Oppositionspartei FFS forderte derweil die Einrichtung einer parlamentarischen Untersuchungskommission, um die Hintergründe der Krise zu beleuchten.
© Sofian Philip Naceur 2018