Der heute beginnende Staatsbesuch von Ägyptens Staatschef Abdel Fattah Al-Sisi in Berlin sorgte bereits im Vorfeld für einigen Wirbel im politischen Berlin. Nicht nur die Linksfraktion im Bundestag und die Grünen machen mobil gegen die Visite des ägyptischen Despoten an der Spree, sondern auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). „Statt der seit Langem erwarteten Terminierung von Parlamentswahlen erleben wir seit Monaten eine systematische Verfolgung oppositioneller Gruppen mit Massenverhaftungen, Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen und einer unfassbaren Anzahl von Todesurteilen, darunter der ehemalige Parlamentspräsident Katatni“, schrieb der CDU-Politiker an Ägyptens Botschafter in Berlin. Vor diesem Hintergrund gäbe es derzeit keinerlei Grundlage für ein Gespräch mit Präsident Al-Sisi, so Lammert weiter. Der Deutschen Welle sagte er es sei durchaus richtig, dass Regierungen in jedem Falle miteinander Kontakt halten, Parlamente könnten jedoch „nur dort miteinander kooperieren, wo es sie gibt. In Ägypten gibt’s keins.“ Ägyptische Offizielle reagierten ausweichend auf Lammerts Absage. Ägyptens Botschafter in Berlin Mohamed Hegazy sagte der ägyptischen Tageszeitung Al-Masry Al-Youm ein Treffen mit Lammert sei nicht von ägyptischer Seite angefragt worden und spielte damit die politische Ohrfeige Lammerts herunter (erschienen in Junge Welt am 2.6.2015).
Derweil forderte der Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag Andrej Hunko gar den Besuch von Al-Sisi in Berlin abzusagen und die „geplanten Kooperationen deutscher Polizeibehörden und Geheimdienste zu annullieren.“ Sein Büro war federführend bei einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung, die erst im Mai neue Details zu den Verhandlungen zwischen Kairo und Berlin über ein Polizeiabkommen ans Licht brachte. Demnach will die Bundesregierung unter Beteiligung deutscher Polizei- und Geheimdienstbehörden ihre polizeilichen Ausbildungshilfen in Ägypten massiv intensivieren und dabei auch enger mit Ägypten in der Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zusammenarbeiten. Deutschland geht es dabei vor allem um eine Ausweitung der Kooperation im Kampf gegen die so genannte illegale Migration, die Berlin derart wichtig ist, dass die Bundesregierung auch mit Ägyptens Polizeiapparat, der für systematische Folter, Polizeiwillkür und Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich gemacht wird, zusammenarbeiten will. „Die willfährige Zusammenarbeit mit der repressiven ägyptischen Polizei fällt verfolgten Aktivisten, Bloggern, Homosexuellen und politischen Gruppen in den Rücken. Besonders zynisch sehe ich die Mitteilung der Bundesregierung, die Unterstützung erst zu stoppen wenn Beweise für einen „Missbrauch des vermittelten Wissens“ vorlägen. Ein Gespräch mit Nichtregierungsorganisationen würde Hunderte Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Justizwillkür zutage fördern“, schreibt Hunko weiter. Die Bundesregierung mache sich zum „Komplizen des brutalen Regimes“ in Ägypten, wenn sie an ihrer geplanten polizeilichen Kooperation festhalte.
Tiefer Griff in die Staatskasse – Neuer Bericht zu Veruntreuung staatlicher Gelder
Die Bundesregierung bestätigte erst im Mai auf Anfrage der Linksfraktion im Bundestag neue Details zu den Verhandlungen mit Ägypten über ein Polizeiabkommen und erntete dafür von Linksparteiabgeordneten und auch den Grünen heftige Kritik. Eine derartige Kooperation mit Ägyptens Polizeiapparat, der für anhaltende massive und systematische Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird, ist jedoch nicht nur aus menschenrechtlicher Perspektive hochproblematisch. Denn auch Korruption, Geldwäsche und das Abzweigen öffentlicher Gelder spielen im ägyptischen Staatsapparat weiterhin eine große Rolle und Mitarbeiter des Innenministeriums in Kairo – der zentrale Partner Berlins in den Verhandlungen über das Polizeiabkommen – sind dabei weitaus tiefer involviert als bisher bekannt war. Nun sorgt ein neuer Bericht über von Mitgliedern ägyptischer Sicherheitsbehörden und dem Regime angelegte schwarze Kassen für Aufsehen. In Kooperation mit der englischsprachigen Internetseite African Confidential veröffentlichte das US-amerikanische Nachrichtenportal The Angaza Foundation for African Reporting (TAFAR) Ende Mai einen investigativen Bericht über den systematischen Diebstahl öffentlicher Gelder in Höhe von mindestens 9,4 Milliarden US-Dollar. Diese Gelder seien auf rund 6700 Bankkonten geflossen und ausgegeben worden, heißt es in dem Report. Sieben namentlich nicht genannte hochrangige Mitarbeiter des Innenministeriums hätten sich zudem Boni in Höhe von mindestens 12 Millionen US-Dollar zugeschanzt. Neu sind die Vorwürfe über führende Staatsdiener nicht sich illegal an öffentlichen Geldern zu bereichern, doch das Ausmaß der in dem Bericht erwähnten Abzweigung öffentlicher Finanzmitteln überrascht dennoch. Erhärten sich die Vorwürfe der beiden gut vernetzten Journalisten und Autoren des Reports Nizar Manek und Jeremy Hodge muss sich auch die Bundesregierung die Frage gefallen lassen, ob eine Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Innenministerium in Sicherheitsfragen sowie eine Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Regime in Kairo nicht Wasser auf den Mühlen des systematischen Korruptionsgeflechtes am Nil ist.
© Sofian Philip Naceur 2015