Jubel-Bilder für die Heimatfront – Kanzlerin Merkel bietet Ägyptens Präsident Propagandabühne

Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi regiert sein Land kompromisslos, autokratisch und totalitär. Seine Unterstützung in Ägypten bröckelt jedoch nach nur einem Jahr im Amt bereits massiv, er braucht dringend internationalen Rückhalt. Sein Besuch in Berlin kommt da zur rechten Zeit. Doch während Al-Sisis peinlicher Auftritt in Deutschland eher irritiert, instrumentalisiert er seine Berlin-Visite für propagandistische Zwecke (erschienen bei n-tv Online am 4.6.2015).

Tumulte im Bundeskanzleramt nach der gemeinsamen Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem despotischen Gast aus Kairo, Eklat bei einem Fachgespräch der Grünen Bundestagsabgeordneten Dr. Franziska Brantner und Omid Nouripour zur Menschenrechtslage in Ägypten am Dienstag und peinliche Jubelägypter in der Berliner Innenstadt. Ägyptens autoritär regierender Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi bot alles auf, um seinen ersten offiziellen Deutschland-Besuch zu einem Triumphzug werden zu lassen. Den hat er offenbar auch bitter nötig, denn Ägyptens Bevölkerung wird ungeduldig und erwartet von Al-Sisi die Einlösung von Wahlversprechen und vor allem ein Ende der anhaltenden Wirtschaftskrise am Nil.

Derweil geht sein Regime weiterhin gnadenlos gegen die islamistische und linksliberale Opposition vor und lässt diese strafrechtlich verfolgen. Regimekritiker und Journalisten werden verhaftet, die Zivilgesellschaft und vor allem Menschenrechtsorganisationen stehen unter Druck wie selten zuvor. Al-Sisis Regierung lässt der Opposition keine Luft zum atmen und setzt auf den Anti-Terror-Kampf als Mittel, um die Bevölkerung von seiner Politik zu überzeugen. Doch das Land liegt wirtschaftlich am Boden und die Kritik an ihm wächst. Er muss politische Erfolge vorweisen. Die Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Staatsbesuch in Deutschland bot eine perfekte Gelegenheit sich in der Heimat öffentlichkeitswirksam zu inszenieren. Und diese nutze er ausgiebig und instrumentalisierte seine Berlin-Visite geschickt für innenpolitische Zwecke.

Al-Sisi kam nicht alleine nach Berlin. Mit im Flugzeug saßen bekannte ägyptische Schauspielerinnen wie die 60 jährige Ikone des ägyptischen Kinos Yousra oder Elham Shahin, die im Laufe von Al-Sisis Aufenthalt in der deutschen Hauptstadt auf pro-Regime Kundgebungen Flagge zeigten und sich für „ihren“ Präsidenten in den Ring warfen. Dutzende Journalisten ägyptischer regimenaher Staats- und Privatmedien wie der kontroverse Showmaster Ahmed Moussa oder der Moderator Tamer Amin waren auch mit dabei und jubelten Ägyptens Staatschef zu wo sie nur konnten. Nicht einmal vor dem Fachgespräch der Grünen Bundestagsabgeordneten Brantner und Nouripour zur Menschenrechtslage im Land und der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt machten sie halt und ließen Al-Sisis Staatsbesuch in Berlin damit zu einem peinlichen und grotesken Auftritt verkommen. Doch während die offenbar geplanten und inszenierten Missachtungen der politischen Etikette in Berlin durch Al-Sisis Unterstützer in Deutschland heftiges Kopfschütteln auslösten, produziert sein Besuch in Berlin die perfekten Bilder für die Heimatfront. Nahaufnahmen der Europaweit zusammengetrommelten Al-Sisi-Unterstützer bei ihren zahlreichen Kundgebungen in der Berliner Innenstadt, ausgerüstet mit Fotos des Autokraten und unzähligen ägyptischen Flaggen, versprühten genau das Straßenbild, dass der Despot aus Ägypten derzeit gebrauchen kann: Selbst in Deutschland stehen die dort lebenden Ägypter hinter ihm.

Ungezügeltes Glücksgefühl in den Straßen Berlins wollte die ägyptische regimenahe Tageszeitung El Watan in dem Moment erblickt haben, als der Staatsbesuch Al-Sisi offiziell angekündigt wurde. Der ägyptische TV-Kanal Sada El Balad berichtete ausgiebig über Al-Sisis Ankunft am Berliner Flughafen. Der dem Regime nahe stehende Sender inszenierte Al-Sisis Stippvisite in der Bundesrepublik als Triumphzug des Ex-Generals und früheren Armeechefs nachdem er zuletzt bereits Spanien, Griechenland und Zypern besuchte hatte. Doch vor allem der in Tumulten ausgeartete Auftritt der ägyptischen Presse im Bundeskanzleramt war bizarr. Am Ende der Pressekonferenz beschimpfte eine als Journalistin akkreditierte verschleierte Ägypterin Präsident Al-Sisi als „Mörder“ und „Faschisten“ worauf die mitgereiste und im Saal anwesende ägyptische 30köpfige Pressedelegation geschlossen aufstand und nationalistische Parolen wie „Es lebe Ägypten, es lebe Ägypten“ brüllte. Der eigentlich obligatorische Fototermin fiel aus. Der gesamte Saal war im Aufruhr, alles lief und rief durcheinander und Merkel und Al-Sisi wurden zügig vom Sicherheitspersonal aus dem Saal begleitet.

Währenddessen versammelten sich im Berliner Regierungsviertel mehrere Kundgebungen der Unterstützer des ägyptischen Autokraten und jubelten ihm zu wo sie nur konnten. Auf sozialen Netzwerken hatten Al-Sisi freundliche Gruppen schon seit Wochen für den Staatsbesuch in Deutschland mobilisiert und tatsächlich hunderte Menschen zusammentrommeln können, die behaupteten Al-Sisis Regentschaft sei demokratisch legitim und ein wichtiger Schritt in Richtung Demokratie am Nil. Doch die Realität in Ägypten sieht indes anders aus und insbesondere deshalb ist das Festhalten der Bundesregierung an dem umstrittenen Besuch Al-Sisis in Berlin hochproblematisch. Schon vor seiner Ankunft hatte sich angedeutet, dass das Regime jede Gelegenheit nutzen würde den Berlin-Besuch Al-Sisis zu instrumentalisieren und politisch auszuschlachten.

Die Bundeskanzlerin betonte zwar, auch die Menschenrechtslage sei Thema gewesen bei den Gesprächen zwischen Al-Sisi und der Bundesregierung, doch der Zweck der Treffens war vor allem wirtschaftlicher Natur. Damit bot die Bundesregierung dem ägyptischen Autokraten eine politische Bühne für seinen Kampf gegen die Opposition im eigenen Land. Sicher, ein politisch und wirtschaftlich stabiles Ägypten liegt im Interesse der deutschen Außenpolitik und auch der deutschen im arabischen Ausland operierenden Wirtschaft, doch um welchen Preis?

© Sofian Philip Naceur 2015

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