Der Auftritt des am Samstag in Berlin-Tegel verhafteten Al Jazeera-Journalisten Ahmed Mansur auf der Bundespresskonferenz wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Seinen Anwälten zufolge gab es keinen internationalen Haftbefehl, dennoch sei der Ägypter in Deutschland zur Fahndung ausgeschrieben worden (erschienen am 23.6.2015 bei n-tv Online).
Die Umstände von Mansurs umstrittener Verhaftung am Wochenende geben auch nach seiner Freilassung aus der Haft am Montag weiter ausreichend Stoff für Spekulationen. Seine Anwälte bestätigten, dass das Fahndungsersuchen der ägyptischen Regierung gegen den für den in Katar ansässigen TV-Kanal Al Jazeera arbeitenden Star-Journalisten von Interpol abgelehnt wurde. Dennoch sei der Ägypter, der auch über einen britischen Pass verfügt, am 27. Januar 2015 in Deutschland zur Fahndung ausgeschrieben worden – und konnte nach eigener Aussage im Februar des gleichen Jahres unbehelligt ein- und ausreisen. Auch bei seiner Einreise am Flughafen München am 16. Juni 2015 konnte er problemlos das Land betreten. Mansur wollte am Samstag vom Berliner Flughafen Tegel nach Doha im Golfemirat Katar reisen und war von der Bundespolizei vorläufig verhaftet worden.
Sein Arbeitgeber aus Katar gilt in Ägypten als Sprachrohr der am Nil verbotenen und als Terrorvereinigung eingestuften Muslimbruderschaft und wird seit dem Sturz von Ägyptens Expräsident Mohamed Mursi im Juli 2013 vehement an der Arbeit gehindert. Mehrere Mitarbeiter des Senders saßen bereits hinter Gittern. Mansur selbst war 2014 in Kairo in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Er habe angeblich während der ägyptischen Revolution 2011 einen Anwalt gefoltert. Der Journalist wies die Vorwürfe scharf zurück.
Mansurs Anwalt Andreas Wattenberg betonte nun in Berlin die Verhaftung seines Mandanten hätte nicht erfolgen dürfen. Ägypten habe schon im Oktober 2014 ein Fahndungsersuchen an die internationale Polizeibehörde Interpol gestellt. Dieses sei jedoch abgelehnt worden. Interpol habe Bedenken gegen das Fahndungsersuchen aus Kairo möglicherweise der Bundesregierung, in jedem Fall aber dem Bundeskriminalamt (BKA), mitgeteilt und das mindestens zwei Mal. Der Antrag der ägyptischen Regierung unter Präsident Abdel Fattah Al-Sisi habe die Bedingungen für einen durch Interpol ausgestellten internationalen Haftbefehl nicht erfüllt, so der Anwalt weiter. Zur Fahndung sei Mansur in Deutschland dennoch ausgeschrieben worden. Interpols Bedenken sind demnach schlicht ignoriert worden.
Die Berliner Staatsanwaltschaft habe jedoch schnell reagiert und entschieden beim Kammergericht keinen Auslieferungsantrag zu stellen. Dieser wäre nach Aussage von Mansurs Anwälten sowieso nicht bewilligt worden. Wattenberg betonte zudem der Generalstaatsanwalt sei das erste Mal mit diesem Fall befasst gewesen und habe nur einen Tag für die Prüfung des Falles gebraucht. Im Fahndungsersuchen aus Kairo sei Mansur unter anderem vorgeworfen worden, Falschnachrichten verbreitet zu haben.
„Ich war von Anfang an sicher, dass diese Sache gegen mich manipuliert war“, sagte Mansur am Dienstag in Berlin und wies mehrfach darauf hin, dass er im Februar problemlos nach Deutschland ein- und kurz darauf auch wieder ausreisen konnte. Auch seine Einreise vor einer Woche sei ohne Probleme erfolgt. Mansur wittert offenbar ein politisch motiviertes Eingreifen der deutschen Polizei, auch wenn er dies nur zwischen den Zeilen aussagen wollte. Auf die Bitte nach einer klaren Aussage zu seinen Vorwürfen äußerte er sich nur sehr ausweichend. In der Tat stellt sich allerdings die Frage, warum der britisch-ägyptische Journalist Mansur drei Mal unbehelligt an deutschen Flughäfen kontrolliert wird und einreisen kann, obwohl ein Fahndungsersuchen gegen ihn ausgestellt wurde.
Sein Anwalt sagte auf Nachfrage, er habe keinerlei Erkenntnisse darüber, ob es politische Einflussnahme auf den Fall gegeben habe. Interessant sei dennoch, was im Vorfeld der Verhaftung passiert sei und wie es überhaupt zu der Festnahme kommen konnte. Erst Anfang Juni war der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al-Sisi in Berlin zu Gast gewesen. Auf die Bundesregierung dürften in der Affäre Mansur noch einige unangenehme Frage zukommen.
© Sofian Philip Naceur 2015