„Gibt es eine Frau in diesem Land oder einen anständigen Mann, der uns den Gefallen tun würde Mahienour zu entführen, ihr mindestens einen Viertelliter Säure zu Trinken gibt und den Rest in ihr Gesicht kippt?“ Mit diesem heftigen Kommentar auf seiner privaten Facebook-Seite sorgte der ägyptische Journalist Nagi Abbas letzte Woche für Unruhe bei der Deutschen Welle (DW). Abbas attackiert in dem inzwischen gelöschten Post die Menschenrechtsanwältin und Aktivistin der trotzkistischen Gruppe Revolutionäre Sozialisten, Mahienour Al-Massry. Zwar ruderte Abbas zügig zurück und erklärte, alles was er auf seinem privaten Profil schreibe, gebe seine Meinung wieder und habe nichts mit seiner Arbeit als freier Journalist zu tun (erschienen in junge Welt vom 22.8.2016).
Seinen Job rettete er damit jedoch nicht, denn der Sender reagierte prompt und erklärte in einer Stellungnahme am Freitag, man habe das Beschäftigungsverhältnis mit einem freien Mitarbeiter der arabischsprachigen Redaktion fristlos gekündigt. Abbas, der in der Erklärung nicht namentlich genannt wird, habe „unmissverständlich zu einer strafbaren Handlung gegen Al-Massry aufgerufen.“ Er weise sich auf seiner Internetpräsenz als Mitarbeiter der DW aus. Der Sender habe den Vorgang unverzüglich und zugleich sorgfältig geprüft und mit dem Mitarbeiter gesprochen, der dabei die Authentizität des Posts bestätigte, heißt es in der Mitteilung weiter. Die DW toleriere „solch ein Verhalten in keinem Fall und unter keinen Umständen.“ Der Sender habe daher nicht nur die gebotenen arbeitsrechtlichen Schritte eingeleitet und das Beschäftigungsverhältnis gekündigt, sondern prüfe „darüber hinaus gehende juristische Schritte“.
Zuvor hatte es unter Kritikern des Regimes in Kairo einen Aufschrei der Entrüstung über den Kommentar gegeben. Die bekannte libanesische Journalistin Lilian Dawoud, die nach jahrelanger Arbeit für ägyptische Medien vor wenigen Wochen in Kairo verhaftet und nach Beirut abgeschoben wurde, kritisierte nicht nur Abbas‘ Attacke auf Al-Massry, sondern auch die DW. Wie könne die Arabisch-Redaktion der DW diesen Journalisten zum Thema Menschenrechtsverletzungen arbeiten lassen, erklärte die regimekritische Exmoderatorin des ägyptischen Senders ONTV in einem Kommentar auf Twitter.
Al-Massry selber reagierte am Freitag auf die Affäre und drückte ihr Unverständnis darüber aus, dass sich Freunde positiv über Abbas‘ Entlassung gezeigt hätten. Was er geschrieben habe, sei seine Meinung. Diese habe er auf einer privaten Seite veröffentlicht, die nicht mit seinem Job in Verbindung stehe, so Al-Massry. „Dieser Mann scheint die Revolution zu hassen und er ist die Aufmerksamkeit nicht wert, die wir ihm schenken. Anzeigen und Beschwerden können uns nicht beschützen. Was uns beschützt, ist der Dialog und das Überzeugen von Menschen“, schreibt die Aktivistin.
Die bekannte Regimekritikerin aus der ägyptischen Mittelmeermetropole Alexandria war erst vor rund einer Woche aus der Haft entlassen worden. Gemeinsam mit dem ägyptischen Journalisten Youssef Shabaan und sieben weiteren Angeklagten war Al-Massry wegen Verstößen gegen das umstrittene Demonstrationsgesetz zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Selbst hinter Gittern machte die Aktivistin immer wieder von sich Reden und setzte sich dafür ein, dass sich Ägyptens Behörden an gültige Regelungen zu Haftbedingungen halten. Kurz vor ihrer Entlassung schloss sie sich einem Hungerstreik an, mit dem die Einhaltung des Besuchsrecht für eine internierte Frau eingefordert wurde.
Derweil zeigt sich die Deutsche Welle trotz aller Kritik mit ihrer schnellen Reaktion verantwortungsvoll. Die DW ist in Ägypten bekannt für ihre regimekritische Berichterstattung. Erst im August lancierte der Sender eine neue Sendung mit dem ägyptischen Journalisten Yoursi Fouda, der für seine Kritik an Ägyptens Regierung und dem Militär bekannt ist. Nach Ausstrahlung der ersten Folge bezeichneten regimefreundliche ägyptische Loyalisten die DW als „verdächtig“.
© Sofian Philip Naceur 2016