Der Fall des im Juni in Algerien zu sieben Jahren Haft verurteilten Bloggers und Bürgerjournalisten Merzoug Touati sorgt auch weiterhin für Schlagzeilen in dem nordafrikanischen Land. Denn Touati ist seit dem 8. Juli abermals im Hungerstreik und hat nach Angaben seines Anwalts Salah Dabouz inzwischen stark an Gewicht verloren. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International drückte in einer Erklärung ihre Sorge über Touatis „physisches und psychisches Wohlbefinden“ aus und fordert seine „unverzügliche und bedingungslose“ Freilassung (erschienen in junge Welt am 8.8.2018).
Der heute 30jährige Blogger war im Januar 2017 in der algerischen Küstenstadt Béjaïa in der Berberregion Kabylei rund 250 Kilometer östlich der Hauptstadt Algier verhaftet und wegen Anstiftung zu Protesten und zivilem Ungehorsam, aber auch Spionage für eine ausländische Macht, angeklagt worden.
Im Mai 2018 hatte ihn ein Strafgericht in Béjaïa zu zehn Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 50,000 algerischen Dinar (umgerechnet rund 360 Euro) verurteilt und schuldig besprochen, mit „Geheimdienstagenten einer ausländischen Macht verkehrt und damit die militärische oder diplomatische Situation Algeriens und dessen essentielle wirtschaftliche Interessen geschädigt“ sowie die Bevölkerung zur „Rebellion“ angestiftet zu haben. Der Anklagepunkt „Anstiftung gegen die Autorität des Staates zu den Waffen zu greifen“, der mit der Todesstrafe geahndet werden kann, war in dem erstinstanzlichen Verfahren jedoch fallengelassen worden.
Im Berufungsprozess im Juni wurde seine Haftstrafe auf sieben Jahre reduziert. Sicherheitskräfte hatten am Tag des Prozesses eine Demonstration, auf der zu seiner Freilassung aufgerufen worden war, aufgelöst und dabei mindestens 40 Menschen vorläufig in Gewahrsam genommen.
Kurz vor seiner Inhaftierung hatte Touati auf seinem Blog Al-Hogra und in sozialen Netzwerken das Haushaltsgesetz für das Jahr 2017 kritisiert und über die Proteste in der Kabylei vom 2. Januar berichtet. Grund für die empfindliche Reaktion der Staatsmacht auf seine Berichterstattung dürfte jedoch ein anderer sein. Denn Touati hatte wenige Tage vor seiner Verhaftung ein Videointerview mit Hassan Kaabia, dem Sprecher des israelischen Außenministeriums für arabischsprachige Medien, veröffentlicht, in dem dieser die Beschuldigungen der algerischen Regierung bestreitet, Israel sei für die kurz zuvor in der Kabylei ausgebrochenen Proteste verantwortlich. Stattdessen bezeichnete er die Beziehungen seiner Regierung zu Algerien als „freundlich“.
Kaabia behauptet in dem Interview ferner, die israelische Regierung habe in den 1990er Jahren ein Verbindungsbüro in Algier unterhalten, eine Behauptung, die die algerische Regierung angesichts ihrer explizit pro-palästinensischen Haltung in Erklärungsnöte brachte. Während zahlreiche andere arabische Staaten trotz öffentlicher Attacken gegen Israel informelle Beziehungen zu dem Land unterhalten, gilt Algerien eigentlich als einer der wenigen Staaten in der Region, der auch weiterhin auf eine bedingungslose Solidarität mit den Palästinensern setzt. Dabouz glaubt, der wesentliche Grund für die Verurteilung seines Mandanten sei das Interview mit dem israelischen Diplomaten. Er meint jedoch, die Anklage sei haltlos, denn es sei die Polizei, die mit den Ermittlungen in dem Fall betraut war und nicht der Geheimdienst. Das zeige, dass es sich nicht um eine geheimdienstlich relevante Untersuchung handeln könne, so Dabouz gegenüber jW.
Vor diesem Hintergrund betrachtet Touati den Prozess gegen ihn als politisch motiviert, seine Verurteilung sei ungerecht und „von oben instruiert“, erklärt sein Anwalt Dabouz. Mit dem abermaligen Hungerstreik – es ist inzwischen der vierte seit seiner Inhaftierung – protestiere Touati dabei auch gegen seine Haftbedingungen. Er habe lediglich eine Mahlzeit am Tag bekommen und zusätzliche Lebensmittel aus eigener Tasche bezahlen müssen. Seit Beginn seines Hungerstreiks sei er in Einzelhaft.
© Sofian Philip Naceur 2018