Ein Bündnis aus Gewerkschaften und Gewerkschaftsdachverbänden aus der Textilindustrie Kambodschas hat für diese Woche zu Solidaritätskundgebungen in ihrem Kampf für eine Erhöhung der Mindestlöhne im Land aufgerufen. Am Dienstag und Mittwoch zogen Aktivisten daher zu Filialen von H&M, Adidas, Walmart und einige anderer Unternehmen, um der jeweiligen Filialleitungen einen Brief mit den Forderungen der Arbeitnehmer in Kambodscha zu übergeben. Neben den diese Woche verstärkt statt findenden Aktionen in Kambodscha selber versammelten sich Menschen in Malaysia, Australien, den USA, Frankreich, Österreich, England, Dänemark und Ägypten und folgten dem Aufruf nach einem internationalen Aktionstag. Aktivisten übergaben Kopien des Briefes an das Leitungspersonal von Filialen der Unternehmen, die in Kambodscha mit Subunternehmen kooperieren. Zu den Forderungen zählt neben der Erhöhung des Mindestlohns auf umgerechnet 135 Euro auch die Erhöhung der Ladenpreise und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen (erschienen in Junge Welt am 19.9.2014).
„Die kambodschanischen Gewerkschaften haben sich entscheiden sich mit ihren Aktionen direkt an die Unternehmen zu richten, da ihre Proteste und Streiks, die sich an die Regierung gerichtet haben, ineffektiv waren. Diese Firmen arbeiten mit Subunternehmern in Kambodscha zusammen, sind die Hauptabnehmer der dort hergestellten Produkte und haben mehr Möglichkeiten die Regierung in Phnom Phen unter Druck zu setzen die Forderungen der Arbeiter nach einem höheren Mindestlohn umzusetzen“, sagt Linda Gomaa, Aktivistin bei der Internationalen Gewerkschaftsliga für Markenverantwortung (International Union League for Brand Responsibility). Das global operierende Netzwerk vereint Gewerkschaften und Arbeitnehmer aus der Textil- und Tabakindustrie in zahlreichen Ländern unter seinem Dach und fordert neben gerechten Löhnen die Einhaltung von Sicherheitsstandards. Die Firmen sollen dazu angehalten werden langfristige Vereinbarungen mit den Subunternehmen abzuschließen, die langfristig höhere Löhne garantieren und die Achtung internationaler Sicherheitsstandards in den Fabriken sicherstellen sollen. „Die in die Proteste involvierten Gewerkschaften in Kambodscha haben zu Solidaritätsaktionen aufgerufen, die Internationale Gewerkschaftsliga hat dies zum Anlass genommen auch in Ägypten aktiv zu werden“, sagt Gomaa weiter.
Am Dienstag übergaben Gomaa und einige ägyptische Gewerkschaftsaktivisten eine Kopie des Briefes an das Leitungspersonal einer Adidas-Filiale in Kairo und der H&M-Niederlassung in Mohandeseen in Giza. Es haben sich mehrere ägyptische Gewerkschaftler der Aktion angeschlossen. In einer Textilfabrik in Mahalla al-Kubra im Nildelta, dem Epizentrum der ägyptischen unabhängigen Gewerkschaftsbewegung und dem Standort zahlreicher Textilfabriken, versammelten sich dutzende Arbeiter für eine kurze Solidaritätsaktion.
Kambodschanische Arbeitnehmer kämpfen bereits seit 2013 verstärkt für bessere Arbeitsbedingungen, eine Anpassung des Arbeitsrechtes und einen höheren Mindestlohn, der zu Beginn der Streikwelle im Dezember 2013 bei nur rund 65 Euro lag. Damals traten zehntausende Arbeiter aus der Textilindustrie in den Ausstand und forderten die Regierung auf ihren Forderungen nachzugeben. Kambodschas Textilindustrie beschäftigt rund 500000 Menschen. Die Regierung ging mit Gewalt gegen die Proteste in der Hauptstadt Phnom Phen vor, vier Demonstranten starben und mehrere Dutzend wurden verhaftet. Das Arbeitsministerium bot nur eine minimale Erhöhung des Mindestlohnes an, daher setzten Gewerkschaften ihre Aktionen bis heute fort.
Auch in Ägypten sind die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie schlecht. Streikwellen in Ägypten haben ihren Ursprung immer wieder in den Zentren der ägyptischen Textilindustrie im Nildelta. Erst am Dienstag starben beim Einsturz einer Textilfabrik in Obour in der Nähe der ägyptischen Hauptstadt mindestens fünf Arbeiter. Rund 30 weitere wurden verletzt. Derweil löste die Polizei Arbeitnehmerproteste in einer anderen Textilfabrik in Alexandria mit Gewalt auf und verhaftete 14 Arbeiter, berichtet die ägyptische Onlinezeitung Mada Masr.
© Sofian Philip Naceur 2014