Seit mehr als fünf Jahren führt Ägyptens Armee im Norden der Sinai-Halbinsel nahe der Grenze zu Israel einen blutigen Krieg gegen eine bewaffnete Islamistenmiliz – mit mäßigem Erfolg. Denn die Miliz, die sich Wilayat Sina (Provinz Sinai) nennt und schon 2014 dem sogenannten Islamischen Staat die Treue geschworen hat, greift bis heute regelmäßig ägyptische Militär- oder Polizeikräfte an, verübte im Sinai und im Großraum Kairo mehrfach gezielte Attentate auf Ägyptens christliche Minderheit und bekannte sich 2015 sogar zu dem Bombenanschlag auf ein russisches Passagierflugzeug, bei dem 224 Menschen getötet wurden. Trotz der mehrfach massiv aufgestockten Truppenpräsenz in der Region, unzähliger Militäroffensiven und von Ägyptens Armee verkündeten angeblichen Erfolgen gegen die Miliz bekommt Ägypten das Problem nicht in den Griff (erschienen in junge Welt am 10.1.2019).
Dabei wird Ägypten bei seinem undurchsichtigen Krieg in der abgelegenen Provinz seit Jahren von Israel unterstützt. Die israelische Regierung gab Ägypten nicht nur grünes Licht für die Verlegung von schwerem Militärgerät in den Nordsinai, dessen Präsenz an der Grenze eigentlich durch den 1979 geschlossenen ägyptisch-israelischen Friedensvertrag ausdrücklich untersagt ist, sondern nimmt auch aktiv an der Bombardierung der Miliz auf ägyptischem Staatsgebiet teil.
Zuletzt kursierten Anfang Januar in sozialen Medien Meldungen über einen israelischen Luftschlag in der Region. Allein zwischen 2016 und 2018 soll Israels Luftwaffe mit dem expliziten Einverständnis der Regierung in Kairo über 100 Luftschläge im Sinai durchgeführt habe, berichtete die US-amerikanische Zeitung New York Times mit Verweis auf britische und US-amerikanische Diplomatenkreise. Meldungen wie diese sind jedoch pikant, wird das Thema in Israel und Ägypten selbst doch so diskret wie möglich behandelt. Ägyptens Armee streitet derlei Meldungen daher in der Regel kategorisch ab.
Umso überraschender waren da die jüngsten Äußerungen von Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi in einem in der Nacht auf Montag beim US-Fernsehsender CBS ausgestrahlten Interview, in dem Al-Sisi bestätigte, dass man in Sachen Militärkooperation auf dem Sinai derzeit von der „tiefsten und engsten Zusammenarbeit“ zwischen Ägypten und Israel sprechen könne.
Eigentlich hält sich Al-Sisi mit öffentlichen Äußerungen zu dieser Kooperation mit dem in weiten Teilen der ägyptischen Bevölkerung verhassten Nachbarland deutlich zurück, kommt die offizielle Bestätigung dieser Zusammenarbeit doch dem Eingeständnis gleich, dass das von Al-Sisi oft in martialischer Manier glorifizierte Militär bei der Kontrolle der kleinen Provinz Nordsinai auf externe Hilfe angewiesen ist. Umso überraschender war daher Al-Sisis klares Bekenntnis zu der Kooperation im Gespräch mit dem US-amerikanischen Journalisten Scott Pelley von CBS.
Ob diese Äußerung der Grund dafür war, dass Ägyptens Regierung versucht hat, die Ausstrahlung des Interviews mit CBS zu verhindern, bleibt Spekulation. Der Sender schlachtete Ägyptens Drängen, das Interview zurückzuziehen, jedoch genüsslich aus und bewarb die Sendung mit dem Titel „Das Interview, dass Ägyptens Regierung nicht ausgestrahlt sehen möchte“. Nach Informationen der ägyptischen Internetzeitung Mada Masr wurde Al-Sisi Pressebüro auch im Inland aktiv und hatte die von Ägyptens Auslandsgeheimdienst GIS kontrollierten Medienkonglomerate EMG und D Media explizit dazu aufgefordert, nicht über das Interview mit CBS zu berichten.
Während Al-Sisi seinem Ruf mit diesem ungeschickten Manöver mehr schadet als hilft, herrscht im Nordsinai sprichwörtlich der Notstand. Bereits seit Jahren verlängert die Regierung in regelmäßigen Abständen den Ausnahmezustand über die Region, während die Zivilbevölkerung in der Provinz zeitweise unter wochenlangen Lebensmittelengpässen, massiv eingeschränkter Bewegungsfreiheit und dem Abstellen der Telekommunikations-, Wasser- und Stromversorgung zu kämpfen hatte und immer wieder zwischen die Fronten dieser blutigen Konfrontation gerät.
© Sofian Philip Naceur 2019