Reine Formsache

Algeriens Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika will ein fünftes Mandat und tritt bei den im April anstehenden Präsidentschaftswahlen trotz angeschlagener Gesundheit abermals an. Das bestätigten die Vorsitzenden der vier Regierungsparteien »Nationale Befreiungsfront« (FLN), »Nationale Demokratische Sammlung« (RND), »Sammlungsbewegung der Hoffnung für Algerien« (TAJ) und »Algerische Volksbewegung« (MPA), der sogenannten Präsidialallianz, am Samstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Algier. Der lange erwarteten Ankündigung war ein monatelanges und teils groteskes Tauziehen zwischen den verschiedenen das Regime stützenden Fraktionen über den Umgang mit der Abstimmung vorausgegangen. Denn im Gegensatz zu Bouteflikas weitgehend unangefochtenen Kandidaturen 2009 und 2014 verlief die interne Konsensbildung diesmal alles andere als reibungslos (erschienen bei junge Welt am 5.2.2019).

Rund ein Dutzend Kleinstparteien, der staatlich kontrollierte Gewerkschaftsbund UGTA und der Unternehmerverband FCE rühren zwar schon seit Monaten die Werbetrommel für eine fünfte Amtszeit Boute­flikas, doch eine geschlossene Haltung der Präsidialallianz ließ lange auf sich warten. Während sich die mit internen Turbulenzen beschäftigte FLN und die RND von Premierminister Ahmed Ouyahia früh klar hinter den 81jährigen Staatschef stellten, hatte es der MPA-Vorsitzende Amara Benyounes auffällig lange vermieden, eindeutig Farbe zu bekennen. Erst letzte Woche gab der Exminister seine abwartende Haltung auf und erklärte seine »bedingungslose« Unterstützung für eine abermalige Kandidatur des greisen Präsidenten.

Dieser sitzt seit einem Schlaganfall 2013 sichtlich angeschlagen im Rollstuhl und kann – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt seinen Amtsgeschäften nachgehen. Tonaufnahmen des bei seinen rar gesäten öffentlichen Auftritten apathisch anmutenden Staatschefs werden schon seit seiner Wiederwahl 2014 nicht mehr veröffentlicht. Damals hatte er nur mit Mühe seinen Amtseid vorlesen können. Regiert wird das Land derweil von anderen Vertretern seines Clans. Unklar bleibt jedoch, wer hinter den Kulissen wirklich die Fäden zieht.

Die Entscheidung der Allianz, erneut mit Bouteflika in den Wahlkampf zu ziehen, zeigt derweil, dass die Vertreter des Regimes abermals krachend damit gescheitert sind, sich auf eine langfristig tragbare Alternative zu dem seit 1999 amtierenden Staatschef zu einigen. Dessen Kandidatur ist nicht viel mehr als eine Notlösung, die jedoch den Status quo des komplexen Machtgefüges des algerischen Regimes nicht gefährdet. Der Vorsitzende der gemäßigt islamistischen TAJ, Amar Ghoul, hatte noch im Winter ein verfassungsrechtlich umstrittenes Verschieben der Wahl ins Spiel gebracht, um Zeit für die regimeinterne Konsensfindung zu gewinnen, leistete damit allerdings den anhaltenden öffentlichen Spekulationen über Bouteflikas Gesundheitszustand nur noch zusätzlich Vorschub.

Wählerschaft und Opposition werden mit der Kandidatur des Staatschefs einmal mehr übergangen, ist dessen Sieg bei der Abstimmung am 18. April doch nur noch reine Formsache. Wahlen gelten in Algerien als weder fair noch frei und werden manipuliert. »Bouteflika wird 2019 kein Kandidat sein, er wird Präsident sein«, titelte das algerische Satiremagazin El Manchar Ende Januar daher durchaus treffend.

Während die linksliberalen Oppositionsparteien »Sammlungsbewegung für Kultur und Demokratie« (RCD) und »Front Sozialistischer Kräfte« (FFS) bereits öffentlich zum Wahlboykott aufrufen, wollen zahlreiche andere Oppositionskräfte den Wahlkampf dafür nutzen, öffentlich für eine Alternative zu werben. Ihre Teilnahme an der Wahlfarce verleiht der Abstimmung jedoch nur einen Hauch von Legitimität, Chancen auf den Sieg haben sie keine. Lediglich eine Kandidatur lässt Bouteflikas Unterstützer schon seit Mitte Januar nervös werden, steigt mit dem pensionierten General Ali Ghediri doch ein Vertreter einer mit dem Clan des Staatschefs rivalisierenden Fraktion in den Ring. Ghediris Werben für eine »zweite Republik« ist eine offene Kampfansage an den Präsidentenclan, seine Chance auf den Wahlsieg ist jedoch ebenfalls gering. Schließlich sind sämtliche für die Abstimmung bedeutsame Schlüsselposten im Staats- und Regierungsapparat mit Vertrauten Bouteflikas besetzt.

© Sofian Philip Naceur 2019

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