In ungewohnter Einheit präsentierte sich Ägyptens Linke vergangenen Samstag beim Wahlkampfabschluss des Präsidentschaftskandidaten Hamdeen Sabahi bei seiner Abschlusskundgebung im Stadtzentrum Kairos. Hochrangige Funktionäre von über 15 linken und liberalen Parteien saßen auf dem Podium neben Sabahi. Tausende Anhänger von Sabahis Partei der Würde, aber auch der Sozialdemokraten, der Verfassungspartei Hala Shukrallahs und der Sozialistischen Volksallianz jubelten ihrem Kandidaten für die heute beginnenden Präsidentschaftswahlen in Ägypten zu. Zwar gilt Sabahi als chancenlos, doch an der Basis haben viele noch immer Hoffnung, dass der landesweit intensiv geführte Wahlkampf Sabahis am Ende doch Früchte tragen könnte. Rund drei Wochen lang war er im gesamten Land unterwegs, suchte Kontakt zu den Menschen und versuchte vor allem Nichtwähler für seine Kampagne zu mobilisieren. Dennoch gilt sein einziger Kontrahent im Rennen um das höchste Staatsamt Abdel Fattah El Sisi, Ex-Verteidigungsminister und federführend beim Sturz des islamistischen Präsidenten Mohamed Mursi durch die Armee im Juli 2013, als haushoher Favorit (erschienen in Junge Welt vom 26.5.2014).
Dabei könnte sich El Sisis Wahlkampf von Sabahis Wahlkampagne nicht deutlicher unterscheiden. Während Sabahi wochenlang durch Ägypten reiste, blieb El Sisi auf der Straße faktisch unsichtbar. Mehrere Interviews im Fernsehen waren El Sisis einzige Wahlkampfauftritte, auf Kundgebungen seiner Wahlkampagne schickte er konsequent Mitglieder seines Kampagnenteams vor und drückte sich vor direktem Kontakt mit Ägyptens Bevölkerung. Offizielle Begründung: aufgrund der fragilen nationalen Sicherheit sei es zu gefährlich für Sisi öffentlich aufzutreten. Er gilt als scharfer Gegner der islamistischen Muslimbruderschaft Mohamed Mursis, dessen Entmachtung er massiv vorangetrieben hatte und positioniert sich im Wahlkampf als der Kandidat, der Ägypten innenpolitisch stabilisieren kann. Sein Wahlprogramm beschränkt sich darauf der Bruderschaft keinen Platz in der politischen Arena einzuräumen und sie endgültig zu entmachten. Ansonsten bleibt sein politisches Programm betont vage. Er verspricht die Wirtschaftskrise zu überwinden, den Energiemangel am Nil und das innenpolitische Chaos zu beenden, doch konkrete Rezepte für diese Ziele präsentierte er nicht.
Dennoch wird El Sisi den Wahlgang gewinnen. Im bereits abgeschlossenen Votum der im Ausland lebenden ägyptischen Wahlberechtigten stimmten rund 94 Prozent für El Sisi, Sabahi bekam lediglich 5,5 Prozent der Stimmen. Auch gehen zahlreiche Unterstützer Sabahis davon aus, dass die Abstimmung zugunsten El Sisis manipuliert wird, zu unübersichtlich sei die Organisation von Wahlgang und Auszählung, sagt Talaat Fawzy, Generalsekretär der Volksallianz. Zwar räumt er ein, El Sisi würde auch ohne Wahlfälschung eine Mehrheit bekommen, da auch viele Unterstützer der Ziele der Revolution das innenpolitische Chaos am Nil Leid seien und daher El Sisi wählen würden in der Hoffnung das Land damit politisch und wirtschaftlich stabilisieren zu können. Doch die Wahl El Sisi zum Staatspräsidenten sei letztendlich nicht mehr als der vorerst letzte Schritt der Konterrevolution in Ägypten, sagt Fawzy.
Das alte Regime hat sich um El Sisi geschart und versucht die Macht zurückzuerobern. Nicht alle Unterstützer El Sisis sind anti-revolutionär, aber alle anti-revolutionären Kräfte stehen hinter Sisi,“ so Fawzy weiter. Mit seiner Wahl wird die Armee ihren Einfluss bewahren. Status Quo und alte Ordnung werden damit restauriert und Ägyptens Revolution ausgebremst, zumindest vorerst.
Während sich einige politische Gruppierungen wie die Revolutionären Sozialisten nur zähneknirschend der Kampagne Sabahis angeschlossen haben, bezeichnen andere wie die kürzlich gerichtlich verbotene liberale Jugendbewegung des 6. April den Urnengang als „Farce“ und boykottieren die Wahl. Auch das islamistische der Muslimbruderschaft nahe stehende Lager ruft zum Boykott auf. Lediglich die radikalislamistische Partei des Lichts wirbt für El Sisi. Die Partei hatte nach Mursis Sturz die Seiten gewechselt, steht an El Sisis Seite und gilt als verlängerter Arm Saudi-Arabiens, die Ägyptens Regierung seit Mursis Sturz finanziell unterstützt hatte. Die Muslimbruderschaft rief unterdessen zu landesweiten Protesten rund um die Wahlen auf.
© Sofian Philip Naceur 2014