Die auf Ägyptens Sinai-Halbinsel operierende militante Islamistengruppe Ansar Bait Al-Maqdis (ABM) hat sich offenbar der radikalislamistischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen, die inzwischen weite Teile Syriens und Iraks kontrolliert. In einer am Montag im Internet veröffentlichten Audiobotschaft eines namentlich nicht genannten Mitglieds von ABM erklärt dieser ihre Gefolgschaft und Loyalität zu IS-Führer Abu Bakr Al-Baghdadi und ruft die Bevölkerung Ägyptens zum Kampf gegen die Regierung in Kairo und die ägyptische Armee auf. In einer weiteren Stellungsnahme verurteilt ABM die anhaltenden Militäroperationen der ägyptischen Armee im Nord-Sinai an der Grenze zu Israel und dem palästinensischen Gaza-Streifen und kündigt Vergeltung an. Ägyptens Regierung hatte im Nord-Sinai vor rund zwei Wochen eine Militäroffensive gegen Radikalislamisten gestartet, nachdem sich ein Selbstmordattentäter an einem Militärcheckpoint in Scheikh Zuweid in die Luft gesprengt und mindestens 30 Soldaten getötet hatte (erschienen in Junge Welt am 13.11.2014).
In der Stellungsnahme bekennt sich die Gruppe, die sich „Löwen des IS“ nennt, zu dem Bombenanschlag auf den Armeeposten vom 24. Oktober. Bisher hatte keiner die Verantwortung für das Attentat übernommen. Skepsis ist dennoch angebracht, schließlich hatte es erst vor Kurzem widersprüchliche Medienberichte über ABM’s Anschluss an den Islamischen Staat gegeben. Bereits vor einer Woche tauchten Stellungnahmen von ABM auf, in der die Gruppe ihren Anschluss an den IS bekannt gab. Über ihren offiziellen Twitter-Kanal wies die Islamistengruppe das im Internet veröffentlichte Bekenntnis jedoch wenig später zurück. Ungewöhnlich ist auch die lange Zurückhaltung von ABM nach dem jüngsten Attentat in Scheikh Zuweid, brauchte die Gruppe doch bisher nur einige Tage oder gar Stunden, bis sie sich zu Anschlägen in Ägypten bekannte.
Zuletzt hatten libanesische und saudische Zeitungen sowie die Nachrichtenagentur Reuters von informellen Kontakten zwischen dem IS und ABM berichtet. Die jüngsten im Internet kursierenden Äußerungen, die ABM zugeschrieben werden, sind jedoch als weiteres Indiz dafür zu bewerten, dass die Gruppe in Ägypten nicht einheitlich auftritt und nicht zentral organisiert ist. Dennoch wäre ein Anschluss ABM’s oder einer ihrer Zellen an den IS nicht überraschend, schließlich hat dieser durchaus Ausstrahlungskraft auf radikalislamistische Gruppen, die bisher unter dem Dach des Terrornetzwerkes Al-Qaida operierten. Bereits im September erklärte eine Abspaltung der im Süden Algeriens aktiven salafistischen Terrorgruppe Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM) ihre Gefolgschaft zum IS. Die Gruppe nennt sich „Soldaten des algerischen Kalifats“ und soll im libysch-algerischen Grenzgebiet operieren. Auch hier wird von Uneinigkeiten innerhalb der AQIM-Führung berichtet, die letztlich zur Spaltung der Zelle geführt haben könnten.
Ägyptens Regierung hatte noch im vergangenen Jahr Verbindungen von in Ägypten operierenden radikalen Islamisten zum IS dementierte. Statt dessen betonten Offizielle der Armee immer wieder die Erfolge von Ägyptens Sicherheitsbehörden im Anti-Terror-Kampf. Zuletzt verwiesen Regierung und Militär am Nil jedoch verstärkt auf die Gefahr, die von Terrorgruppen im Land ausgehe und warnten vor einem Anschluss dieser Gruppen an den IS. Kairo hat seine Strategie im Umgang mit den Radikalen im Sinai neu ausgerichtet und bittet inzwischen offen um internationale Unterstützung. Die US-Regierung kündigte die Lieferung von Apache-Kampfhubschraubern an und auch in Deutschland hat die rhetorische Kehrtwende in Kairo offenbar Wirkung gezeigt, schließlich nahm die Bundesregierung offenbar erst vor Kurzem die Verhandlungen über ein Polizeiabkommen mit Ägypten wieder auf. Ägyptens Regierung lanciert die Debatte um die Terrorgefahr im Land derzeit sehr geschickt und instrumentalisiert diese, vor allem um von der derzeitigen staatlichen Repression gegen Opposition und Zivilgesellschaft abzulenken und die ägyptische Öffentlichkeit auf Linie zu trimmen.
© Sofian Philip Naceur 2014