Algeriens Präsidentschaftswahl rückt näher und mit dem offiziellen Start des Wahlkampfes begann jüngst dessen heiße Phase. Zwölf Bewerber hatten ihre Unterlagen beim Verfassungsrat eingereicht, nur sechs von ihnen wurden zugelassen. Neben dem seit 1999 amtierenden gesundheitlich angeschlagenen Amtsinhaber und haushohen Favoriten auf das höchste Staatsamt Abdelaziz Bouteflika von der regierenden Nationalen Befreiungsfront (FLN) kann lediglich Ex-Premierminister Ali Benflis auf ein gutes Ergebnis hoffen. Alle anderen Kandidaten wie die Chefin der trotzkistischen Arbeiterpartei Louisa Hanoun sind chancenlos. Am 17. April sind rund 23 Millionen algerische Staatsbürger aufgerufen einen neuen Staatschef zu wählen (erschienen in Junge Welt am 27.3.2014).
Bouteflika selber wird dem Wahlkampf fern bleiben, ein Novum in der algerischen Politik und Stein des Anstoßes bei der Opposition. Seine Verbündeten werden nicht müde zu betonen, dass Bouteflika trotz seinem angeschlagenen Gesundheitszustand fähig ist das Land weitere vier Jahre zu regieren. „Bouteflika erfreut sich bester Gesundheit. Er hat die intellektuelle Fähigkeit und nötige Vision, um die Verantwortung zu tragen“, sagte der Chef seines Wahlkampfteams Abdelmalek Sellal. Im südalgerischen Adrar versprach Sellal am Wochenende eine „umfassende und partizipative Demokratie“, sollte Bouteflika erneut gewählt werden. Sellal war erst kürzlich vom Amt des Premierministers zurückgetreten und durch Energieminister Youcef Yousfi ersetzt worden, um für Bouteflika für ein viertes Mandat zu werben. Im Wahlkampfteam sitzen neben Sellal FLN-Generalsekretär Amar Saïdani, Ex-Premier Ahmed Ouyahia, Ex-FLN-Generalsekretär Abdelaziz Belkhadem und drei weitere Spitzenpolitiker aus den Reihen anderer Parteien, die durch ihre Unterstützung Bouteflikas auf lukrative Posten hoffen dürfen.
Wahlen in Algerien gelten gemeinhin als massiv gefälscht, die Resultate der Urnengänge im Vorfeld hinter verschlossenen Türen entschieden. Bouteflika hatte im Spätsommer 2013 durch eine Kabinettsumbildung die Schlüsselinstitutionen für Organisation, Durchführung und Prüfung der Wahlen unter seine Kontrolle gebracht und enge Vertraute ins Innen- und Justizministerium gehievt. In diesem Kontext machte sich die algerische oppositionelle Tageszeitung Le Matin schon im März über Benflis Hoffnungen Bouteflika schlagen zu können lustig und betonte es sei mehr als unwahrscheinlich, dass Benflis eine Wahl gewinnt, die derart vom Amtsinhaber kontrolliert wird. Bouteflika gilt zudem als zuverlässiger Partner der hinter den Kulissen regierenden Militärs, die kein Interesse daran haben Urnengänge dem Zufall oder tagesaktueller Ereignisse zu überlassen. Seit Wochen brodelt es wieder im Land. Im südalgerischen Ghardaïa brachen vor mehreren Wochen gewaltsame sektiererische Auseinandersetzungen zwischen Arabern und Berbern der Mozabiten-Minderheit aus. Erst Anfang März erlebte die rund 600 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegene Region eine neue Welle der Gewalt, mindestens drei Menschen wurden getötet, Hunderte verletzt. Die Regierung verlegte rund 10000 Polizisten der Gendarmerie in die Provinz, berichtet die Pariser Zeitung Jeune Afrique.
Zudem formiert sich ein breites Protestbündnis gegen ein viertes Mandat Bouteflikas. Parteien wie die Partei Neue Generation von Soufiane Djilali und die in der Berberregion Kabylei verankerte Sammlung für Kultur und Demokratie (RCD) von Mohsen Belabes rufen zum Boykott des Urnenganges auf. Auch das islamistische Lager, dass erstmals seit der Einführung eines Mehrparteiensystems Ende der 1980er keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufbietet, schloss sich dem Boykottaufruf des säkularen Lagers an. Vergangene Woche versammelten sich rund 5000 Menschen in einer Sporthalle in Algier und warben für den Boykott. Die Opposition bleibt jedoch schwach und tief gespalten. Es sei nicht ausreichend in Hallen zu protestieren angesichts eines Regimes, dem alle sicherheitspolitischen und juristischen Maßnahmen zur Verfügung stehen politischen Dissens zum Schweigen zu bringen, sagt der algerische Journalist Salim Salihi dem in Katar ansässigen TV-Sender Al Jazeera. Die Opposition müsse auf die Straße ziehen. In der Tat erlebt das Land zuletzt zahlreiche größere Demonstrationen, obwohl öffentliche Proteste seit 2001 verboten sind.
© Sofian Philip Naceur 2014