Ägyptens Interimsregierung unter Premierminister Hazem El Beblawi ist gestern überraschend geschlossen zurückgetreten. Am Morgen habe sich das Kabinett zu einer 15 minütigen Sitzung versammelt und den Rücktritt beschlossen, heißt es aus Regierungskreisen. Konkrete Gründe für den Rücktritt nannte Beblawi nicht. In der TV-Ansprache sagte der Regierungschef die ausscheidende Regierung habe „jedwede Anstrengung unternommen Ägypten aus dem engen Tunnel“ herauszuführen und spielt damit auf die desaströse Wirtschaftslage, die sicherheitspolitisch fragile Situation und die politische Unordnung im Land an. Dennoch betonte Beblawi die Sicherheitslage und das Ansehen des Staates seien unter der Interimsregierung restauriert worden. Reformen können jedoch nicht vom Kabinett allein angestoßen werden, so Beblawi. Die Regierung war nach dem Sturz von Mohamed Mursis im Juli 2013 ernannt worden. Möglicher Nachfolger Beblawis für das Amt des Premiers ist Wohnungsbauminister Ibrahim Mahlab, die Meldung konnte bisher nicht bestätigt werden. Über eine Kabinettsumbildung wird am Nil schon seit Wochen diskutiert. Im April stehen Präsidentschaftswahlen an und der haushohe Favorit auf das Amt Feldmarschall Abdelfattah El Sisi – Armeechef, Vize-Premier und Verteidigungsminister in Personalunion – muss für seine Kandidatur seine Regierungsposten und die Militäruniform niederlegen. Mit einer offiziellen Ankündigung El Sisis Kandidatur wird in Kürze gerechnet. Ägypten erlebt derzeit zudem eine massive Streikwelle. Neben den Arbeitsausständen in der Textilindustrie ist vor allem der öffentliche Dienst betroffen. In Oppositionskreisen heißt es die an der Regierung beteiligten Parteien seien mit den wirtschaftlichen Problemen am Nil schlicht überfordert und wollen sich aus der Schusslinie bringen, um ihre Chancen bei den im Sommer anstehenden Parlamentswahlen nicht schon im Vorfeld zu Nichte zu machen (erschienen in Junge Welt am 25.2.2014).
© Sofian Philip Naceur 2014