JW: Am 22. Januar wurden der aus Al-Arish im Sinai stammende ägyptische Dokumentarfilmer Hossam Meneai und du von Beamten des gefürchteten Mabahith Amn Ad-Dowla, der ägyptischen Staatssicherheit, in eurer gemeinsamen Wohnung in Giza im Stadtteil Dokki unter Hausarrest gestellt und dann verhaftet. Es gab bisher gegen euch keinerlei Anklagen, ihr hattet nie mit der Polizei zu tun. Warum wurdet ihr verhaftet?
Hodge: Ich denke es war die ungewöhnliche Kombination, die uns verdächtig gemacht hat. Warum wohnen ein aus Al-Arish stammender Journalist und ein US-Amerikaner, der für eine ägyptische Zeitung gearbeitet hat und gut arabisch spricht, in einer gemeinsamen Wohnung? Vor dem Hintergrund der Militäroffensive im Nord-Sinai gegen militante Islamisten sind für die Staatssicherheit alle Menschen, die Verbindungen in den Nord-Sinai haben verdächtig. Ausländer vor allem aus den USA werden in Ägypten schon seit Langem, vor allem aber seit dem Sturz Mohamed Mursis im Juli 2013, als potenzielle Spione betrachtet. Ich habe zuletzt für die Berliner Nicht-Regierungs-Organisation Transparency International Übersetzungsarbeiten gemacht, die Organisation hatte Ägypten jüngst für das harsche Vorgehen gegen Oppositionelle scharf kritisiert (veröffentlich in Junge Welt am 30.1.2014).
JW: Welche Anklagen gibt es gegen euch?
Hodge: Zunächst ließ man uns im Unklaren darüber. Sie brachten uns auf die Polizeiwache am Galaa-Platz in Dokki in Giza, eine Wache, die bekannte dafür ist politische Gefangene aufzunehmen und nicht zimperlich mit diesen umzugehen. Sie warfen uns vor Falschinformationen verbreitet und Ägyptens nationale Sicherheit gefährdet zu haben, ohne jedoch konkret zu sagen worum es geht. Das war die offizielle Anklage. Während wir auf der Wache waren, haben uns die Beamten immer wieder als „Spione“ bezeichnet. Der informelle Hintergrund war also ein anderer. Sie haben versucht uns Spionage anzuhängen, aber das beste was sie machen können ist uns für die angebliche Veröffentlichung von Falschinformationen zu belangen.
JW: Du bist am 26. Januar freigelassen worden, Meneai ist aufgrund laufender Ermittlungen noch in Haft. Was ist auf der Polizeiwache passiert und wie sind die Beamten mit dir und Meneai umgegangen?
Hodge: Nach den ersten Befragungen wurden wir beide in einem Büro mit Handschellen an einem Tisch fest gekettet und 36 Stunden sitzen gelassen. Kein essen oder trinken, sie haben uns die meiste Zeit konsequent ignoriert. Sie wollten uns mürbe machen. Meneai wurde schon in dieser Zeit mehrfach geschlagen. Meneai haben sie dann in eine Zelle mit Kriminellen gesteckt, die meisten waren dort wegen Drogendelikten. Mich haben sie zu den politischen Häftlingen in eine Zelle gesperrt, die meisten waren Anhänger der verbotenen Muslimbruderschaft. Deren Zellen waren viel sauberer und besser ausgestattet. Die Polizei hat mich besser behandelt, weil ich Ausländer bin. Später waren wir beide in der Zelle mit den Kriminellen eingesperrt.
JW: Warum sind die Beamten mit euch unterschiedlich umgegangen und wie hat sich das geäußert?
Hodge: Die Beamten brachten Meneai zu den Kriminellen, um ihn zu erniedrigen. Sie haben ihn immer wieder geschlagen und beleidigt, während sie mich nicht ein einziges Mal angefasst haben. Ein Polizist war extrem aggressiv gegenüber Meneai. Er hatte anscheinend erst kürzlich einen Cousin im Sinai verloren, der im Zuge der Militäroffensive in der Region Al-Arish getötet wurde. Vor allem sein brutales Vorgehen gegen Meneai wirkte auf mich wie eine Vendetta, nur weil Meneai aus Al-Arish stammt. Er wollte sich für den Tod seines Verwandten rächen. Meneai ist immer wieder geschlagen worden. Sie haben ihm sogar die Haare abgeschnitten, einer der schlimmsten Erniedrigungen, die es in Ägypten gibt. Zudem glaube ich sie wären deutlich heftiger mit ihm umgegangen, wenn nicht ein Ausländer bei ihm gewesen wäre. Wir hatten bis ich entlassen wurde keinen Kontakt zu Anwälten und wir wissen bis heute nicht wie es Meneai geht.
JW: Du wirst Ägypten schnellstmöglich verlassen. Warum?< Hodge: Wenn ich bleibe, droht mit ein Gerichtsverfahren. Man sagte mir in der US-Botschaft ich solle das Land verlassen. Es gab scheinbar eine Art informelle Vereinbarung zwischen der Botschaft und ägyptischen Behörden, dass ich nur dann frei gelassen werde wenn ich schnellstmöglich das Land verlassen. Ägyptens Behörden wollen in der derzeitigen angespannten politischen Lage Menschen wie mich loswerden. © Sofian Philip Naceur 2014