Das Berufungsgericht in Ägyptens Hauptstadt Kairo hat am Donnerstag die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die drei seit einem Jahr inhaftierten Mitarbeiter des in Katar ansässigen Satellitensenders Al Jazeera angeordnet. Der australische Korrespondent Peter Greste, der kanadisch-ägyptische Bürochef des Senders Mohamed Fahmy und der ägyptische Produzent Baher Mohamed waren am 29. Dezember 2013 in Kairo verhaftet und im Juni 2014 zu sieben und zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ihnen wird vorgeworfen die verbotene und von Ägyptens Regierung als Terrorvereinigung eingestufte Muslimbruderschaft unterstützt und Falschnachrichten verbreitet zu haben. Mohamed wird zusätzlich der Besitz von Waffen zur Last gelegt (veröffentlicht in Junge Welt am 3.1.2015).
Fahmys Familie zeigte sich nach der Anhörung, die in Abwesenheit der drei Verurteilten im Gerichtsgebäude in Kairos Innenstadt statt fand, enttäuscht über die andauernde Internierung der Gefangenen. Sowohl die zuständigen Anwälte als auch Kanadas und Australiens Regierungen hatten sich im Vorfeld der Anhörung zuversichtlich gezeigt, dass Greste und Fahmy auf Kaution frei gelassen werden könnten. Ägyptens höchstes Berufungsgericht gab den Fall zur Revision zurück an den Strafgerichtshof, der innerhalb eines Monats den Prozess neu aufrollen dürfte. Anwälte waren sich uneins darüber, ob die Kammer überhaupt die Kompetenz besitzt die Verurteilten auf Kaution freizulassen oder ob diese Entscheidung dem Strafgerichtshof obliegt.
Der Prozess gegen die drei Journalisten gilt als politisch motiviert und hatte international einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Beweisführung der Anklage war skurril, hatten die vorgelegten Beweise gegen die Reporter doch wenig mit den Vorwürfen der Anklageschrift zu tun. Die Anwälte der Verurteilten reichten den Antrag auf ein Wiederaufnahmeverfahrens mit Verweisen auf angebliche Prozessfehler und Mangel an Beweisen ein, hoffen jedoch auch weiterhin auf eine vorzeitige Entlassung Grestes und Fahmys. Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi hatte im November per Dekret ein Gesetz erlassen, dass eine Abschiebung ausländischer Angeklagter vor einem abschließenden Gerichtsurteil legalisiert. Die gerichtlich angeordnete Revision des Verfahrens ebnet daher einer Begnadigung der Reporter durch Al-Sisi den Weg. Grestes Anwälte reichten formal einen Antrag auf Ausweisung des Australiers bei Ägyptens Regierung ein.
Der Sprecher des von Katars Regierung kontrollierten TV-Senders Osama Saeed begrüßte die Entscheidung des Gerichts und rief Ägyptens Behörden dazu auf die Angeklagten schnellstens auf freien Fuß zu lassen. Al Jazeera betrachtet den Prozess gegen die drei Mitarbeiter des englischsprachigen Ablegers des Senders aus Katars Hauptstadt Doha als „politisiert“. Ägyptens Staatsführung wirft dem TV-Sender vor die im Juli 2013 entmachtete islamistische Muslimbruderschaft des gestürzten Expräsidenten Mohamed Mursi unterstützt und parteiisch zugunsten der Organisation berichtet zu haben. Katars Königshaus habe der Bruderschaft zudem politische Rückendeckung verschafft und Mitgliedern der Islamistengruppe Unterschlupf gewährt.
Die politische Eiszeit zwischen Doha und Kairo hatte sich erst im Dezember nach monatelangem politischen Druck gegen Katar entspannt. Die Verbündeten der Machthaber in Kairo am Golf Saudi-Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate hatten im Frühjahr ihre Botschafter aus Doha abberufen und Katar in die Isolation getrieben. Das Golfemirat signierte kurz darauf das Abkommen von Riad, in dem ein politischer Aussöhnungsprozess zwischen den Golf-Staaten und Ägypten vereinbart wurde. Am 22. Dezember stellte Katar die Ausstrahlung des ägyptischen Ablegers des Senders Al Jazeera Mubasher Misr ein und kündigte an den Kanal neu lancieren zu wollen. Erwartet wird eine Abkehr von der Muslimbrüder-freundlichen Linie von Mubasher Misr. Die drakonischen Freiheitsstrafen gegen die drei Journalisten waren für Ägyptens Regierung zuletzt eine schwere außenpolitische Hypothek, versucht sich das Regime Al-Sisi doch trotz Kritik am harten Vorgehen gegen Opposition und Zivilgesellschaft als verlässlicher Partner des Westens zu profilieren.
© Sofian Philip Naceur 2015